1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Kaiser Karl V. und die Kirchentrennung in Deutschland. 585
aber die Neichsacht über ihn. Deren Vollstreckung wurde dem jüngst
erst wieder aufgerichteten Neichsregimente zu Nürnberg übertragen.
Der Kaiser aber, von anderer Sorge abgerufen, ging über die Nieder-
lande und England nach Spanien, während in Folge eines zu Brüssel
geschlossenen Vertrages die oberdeutschen Länder seines Hauses seinem
edeln und treuen Bruder Ferdinand überlassen blieben. Zn denselben
fügte er auch das Herzogthum Würtemberg, das er, da der dritte
Herzog, Ulrich, im Kampfe mit dem schwäbischen Bunde aus dem
Lande vertrieben worden war, eingezogen hatte, und für dessen Verlust
er dessen noch unmündigen Sohn Christoph einstens anderweitig zu ent-
schädigen gedachte.
5. Das Neichsregiment, an dessen Spitze der noch junge, in Spa-
nien erzogene Ferdinand stand, war nicht in der Lage, jenen kaiserlichen
Befehl zu vollftrecken, da unter seinen Mitgliedern Gönner Luthers wa-
ren und er gegen jene Fürsten, welche Luther schützen wollten oder aus
Furcht vor der in ihren Gebieten entstandenen Gährung nichts gegen
ihn zu thun wagten, die Mittel, mit Gewalt vorzuschreiten, nicht besaß.
Die Versuche, die von Nom aus zur Beschwörung des Sturmes gemacht
wurden, konnten unter solchen Umständen keinen Erfolg haben. Dort
war auf Leo X. der Cardinal Hadrian als Hadrian Vi. (1521—1523)
gefolgt, und es trat nun im Widerspruche mit dem in Italien herrschen-
den Geiste eine veränderte Richtung ein. Hatte Leo, unter wel-
chem Raphael (gest. 1520) die an künstlerischer Vollendung größten
Werke der Malerei geschaffen, durch Pflege und Förderung der Kunst
ganz seiner Zeit und Umgebung angehört, so wandte sich Hadrian ab
von einer Herrlichkeit, die nicht von christlichem Geiste durchdrungen
schien, und versagte den Leistungen alter und neuer Kunst, deren
Schätzung mit den höchsten Forderungen, denen des Christenthums, noch
nicht in Einklang gesetzt war, seine Anerkennung. In demselben Sinne
ließ er dem Neichsregimente durch seinen Legaten außer der Aufforde-
rung, die Kirche gegen die Neuerung zu schützen, Erklärungen über seine
Bereitwilligkeit zu einer Reformation des päpstlichen Hofes vorlegen,
durch welche er die Quelle vieler über die Kirche verbreiteten Uebel-
stände zu verstopfen gedachte. Doch dieses Bekenntniß forderte das
Neichsregiment nur zu erneuerter Aufmerksamkeit auf die kirchlichen Be-
schwerdegegenstände auf, und während man hinsichtlich Luthers bei der
vorhandenen Stimmung des Volkes nichts unternehmen zu können be-
hauptete, verlangte man ein allgemeines Concil, von welchem man, in-
dem man es ein freies nannte und es in einer deutschen Stadt gehal-
ten wissen wollte, den päpstlichen Einfluß auszuschließen gedachte. Wel-
chen Eintrag die Kirchentrennung den gemeinsamen Angelegenheiten der
Christenheit thun und welchen Riß sie auch in das Reich machen mußte,