1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Kaiser Karl V. und die Kirchentrennung in Deutschland. gyl
und verkündete keineswegs den Entschluß, die Protestanten mit Gewalt
zu unterdrücken, sondern das Bestreben der Verständigung und Bei-
legung. Da es hierbei zunächst auf Einsicht in das Wesen der neuen
Lehre ankam, überreichten deren Anhänger eine von Melanchthon aus-
gearbeitete Schrift, welche ihr Glaubensbekenntniß oder Symbolum ent-
hielt und für sie das wichtigste ihrer symbolischen Bücher geblieben ist.
Es war darin zweierlei abgehandelt, die Auffassung des christlichen
Glaubens, die sich bis jetzt bei den Protestanten ausgebildet hatte, und
das, was sie die Mißbräuche in der Kirche nannten, diejenigen gottes-
dienstlichen Handlungen, die sie abgeschafft sehen wollten und für sich
bereits abgeschafft hatten. Sie erhielt noch eine Ergänzung durch eine
Apologie, welche die Erwiederung auf eine in Karls Aufträge von
katholischen Theologen abgefaßte Widerlegung oder Confutation bildete.
Nach diesen Schriften stellte sich die Abweichung von der Kirche in einer
Weise dar, daß die Hoffnung auf eine Wiedereinigung noch nicht auf-
gegeben werden zu müssen schien. Indem sie zur Begründung ihrer
Abweichung die ihnen unannehmbaren Theile der Kirchenlehre anführten,
bezeichneten sie Vieles als Kirchenlehre, was die Kirche nie gelehrt,
vielmehr verworfen hatte. Doch die Aussichten auf eine Annäherung,
welche durch Melanchthons Verhalten noch näher gerückt wurden, schienen
den Protestanten unwillkommen und mußten es ihnen sein, da sie auf
einem anderen Gebiete, als dem der kirchlichen Lehre und des Gottes-
dienstes, auf dem des Besitzes und der Kirchenverfassung, bereits zu
entschieden mit der alten Ordnung gebrochen hatten. Melanchthon wurde
des Verrathes an der Sache bezüchtigt, und Luther, den man nicht vor
den Kaiser hatte bringen wollen, erklärte von Coburg aus die Zuge-
ständnisse, zu denen Melanchthon bereit war, als unzulässig. Ganz be-
sonders zeigte Landgraf Philipp seine Abneigung gegen jede Annäherung
durch den befremdlichen Schritt einer schleunigen Abreise von Augsburg.
So kam es dahin, daß der Kaiser in dem Reichstagsabschiede erklärte,
es sollten bis zur Entscheidung durch ein allgemeines Concil alle Reli-
gionsangelegenheiten in ihren früheren Stand zurückversetzt werden, alle
verheiratheten Priester, die ihre Frauen nicht verlassen wollten, ihrer
Stellen entsetzt sein, jeder kirchliche Besitz zu seiner ursprünglichen Be-
stimmung zurückkehren, und alle im Gebiete von Protestanten wohnen-
den Katholiken des besonderen kasserlichen Schutzes genießen. Auch die
Städte Straßburg, Constanz, Memmingen und Lindau, welche die
Zwinglische Lehre angenommen hatten, erhielten auf Einreichung einer
besonderen Bekenntnißschrift einen ähnlichen Bescheid. Während der
Kaiser nun nicht in der Lage war, seinen Willen mit Gewalt zur Gel-
tung zu bringen, trat bei den Protestanten die Neigung, sich demselben
mit Gewalt zu widersetzen, deutlicher hervor, und Luther erklärte, daß