1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Zeit des französischen Uebergewichtes
bald nach Mazarins Tode Fouquet, dem die Staatseinnahmen anver-
traut waren, durch eine Anklage wegen hochverräterischer Umtriebe
von seinem Amte entfernt und zu lebenslänglicher Hast verurtheilt,
worauf der schon von Mazarin empfohlene Colbert, der Begründer eines
strenge geregelten Ganges des Einnahmewesens, an seine Stelle trat.
Es erheischte aber die Ausbildung der von Mazarin vorbereiteten, von
Ludwig mit Eifer ergriffenen Regierungsweise eine veränderte Stellung
aller Körperschaften, denen Herkommen und Ueberlieferung die Neigung,
die Fähigkeit oder das Recht zum Widerstande zu geben schienen. Der
Adel, der sich zum letzten Male in den Kriegen der Fronde für die
Krone gefährlich gezeigt hatte, ward allmälig so sehr an den Hof ge-
zogen, daß er in der Theilnahme an dessen schwelgerischem Leben ehr-
geizige Entwürfe erstickte, zum Theil auch durch Schwächung seines Ver-
mögens den Dienst des Königs zu suchen genöthigt ward. Wenn ein-
zelne seiner Glieder als Statthalter in den Provinzen eine ihrer ehe-
maligen Bedeutung entsprechende Stellung fanden, so waren Verkürzung
der Amtsdauer und Beschränkung der Befugnisse die Mittel, wodurch
sie sich eine für die Krone bedenkliche Macht zu bilden verhindert wur-
den. Das Pariser Parlament, welches, seit man die Reichsstände zu
berufen aufgehört, an deren Statt willkührlichen Anordnungen entgegenzu-
treten begonnen hatte, mußte bald, von Drohung und Strenge eingeschüch-
tert, dem allgemeinen Zuge folgen, der sämmtliche Diener des Staates
vor Allem den Beifall des Königs zu suchen trieb. Schon vor Maza-
rins Tode hatte der König auf die bloße Kunde von einer Vorstellung,
die das Parlament gegen eine seiner Anordnungen vorbereitete, sich in
dem Anzuge, in welchem er eben von der Jagd gekommen war, zu dem-
selben begeben und es mit scharfer Rüge in die Grenzen der Rechts-
pflege als seines eigentlichen Geschäftes zurückgewiesen. Das körper-
schaftliche Leben der Gemeinden wurde dadurch gelähmt, daß man den-
selben mehr und mehr die Befugniß, ihre eigenen Angelegenheiten zu ver-
walten, entzog. Auch verloren sie dadurch an Selbstständigkeit, daß das
Vorsteheramt bei ihnen ein käufliches wurde. Endlich wirkte zur Herabsetzung
ihrer Bedeutung mit, daß man nicht nur für jede in ihrem Bereiche vor-
gehende Störung der Ordnung ihnen das Recht der Ahndung nahm, sondern
durch die Bildung einer von dem Könige abhängigen militärisch geordneten
Macht der Polizei, deren Geschäft Ueberwachung und Aufspürung ward,
solchen Störungen vorzubeugen suchte. Indem so keiner Thätigkeit im
Staate, die nicht mit dem Willen des Königs zusammenhing, Geltung
zugestanden wurde, konnte Ludwig, wie er es einst mit der kühnen Be-
hauptung, daß er der Staat sei, aussprach, die Uebereinstimmung, in
der die Dinge sich mit seinem Willen befanden, als Maßstab ihrer Zu-
lässigkeit und Zweckmäßigkeit ansehen lernen. Er konnte zwischen seiner