1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
und der von den Vortheilcn des Handels bestimmten Staatskunst. 791
denselben als Philipp V. in Madrid einziehen, wo die ohnehin schon
verwirrten Negierungsangelegenheiten mittelst der Durchkreuzung fran-
zösischen und spanischen Einflusses sich nur noch mehr verwirrten. Der
Kaiser war nicht gesonnen, sich dieser Anordnung zu fügen, und traf, so
erschöpft auch seine Staaten durch die vorausgegangenen Kriege waren,
Anstalten zur Eroberung dessen, worauf er ein Recht zu haben glaubte.
Er mußte den Krieg allein beginnen, und es. dauerte bis in das Jahr
1702, ehe er die Bundesgenossen, auf welche er rechnete, wirklich ge-
wonnen hatte oder doch ihre Truppen zu seinen Heeren stoßen sah. Das
deutsche Reich betrachtete die Sache so sehr als eine den Kaiser allein
betreffende, daß die Kreise,' welche beim Ausbruche des Krieges zu Kriegs-
schauplätzen zu werden gewiß waren, sich damit begnügten, bloß unter
sich eine Verbindung zur Abwehr des französischen Angriffes zu schließen.
Von den drei Kurfürsten von Sachsen, Brandenburg und Hannover, die
sich in den vorigen Kriegen als treue Bundesgenossen bewährt hatten,
war der Kurfürst von Sachsen zur Unterstützung der kaiserlichen Sache
außer Stande. Er hatte seine Stellung im Reiche ungeachtet seines
Neligionswechsels unverändert zu erhalten gewußt, indem er versicherte,
daß derselbe eine bloß persönliche Angelegenheit sei, die weder auf das
Verhältniß zu seinen Unterthanen, noch auf das zu den protestantischen
Reichöständen Einfluß haben werde. Der Theilnahme an dem, was
Kaiser und Reich betraf, war er aber als König von Polen um so
mehr entzogen, als ein Krieg, den er mit Dänemark und Rußland gegen
Schweden begonnen, ihm einen Angriff von Seiten Schwedens zuge-
zogen hatte. Den Kurfürsten von Brandenburg aber hatte sich der
Kaiser neuerdings dadurch verbunden, daß er zu einer ähnlichen Er-
hebung, wie sie der Kurfürst von Sachsen erfahren, seine Zustimmung
gegeben hatte. Der Sohn des großen Kurfürsten wollte, nachdem der
Vater seinen Staat zu einer europäischen Bedeutung erhoben hatte, die
Anerkennung dieser höheren Bedeutung genießen, und umgab sich des-
halb mit königlicher Pracht. Die Erhebung des Kurfürsten von Sachsen
zur Königswürde reizte ihn zur Nachahmung, da ohnehin ein Theil
seiner Staaten, das Herzogthum Preußen, außerhalb des Reichsver-
bandes lag. Mit Genehmigung des Kaisers, dem er für den bevor-
stehenden Krieg seine Hülfe zugesagt, setzte er sich am 18. Januar 1701
zu Königsberg die Krone auf und nannte sich seitdem Friedrich I-, legte
sich aber, da er nicht ganz Preußen beherrschte, nur den Titel eines
Königs in Preußen bei. Es war dieses Ereigniß, so wenig auch für
den Augenblick dadurch verändert wurde, ein folgenreiches, sofern es
dem Kaiser und dem Reiche gegenüber die selbstständige Stellung eines
durch Länderbesitz bedeutenden Reichsstandes bestätigte und für die Nach-
folger des ersten Königs einen Antrieb bildete, die Macht des Staates
Kiesel, Weltgeschichte. Ii. 51