1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Zeit der falschen Aufklärung und der gewalttätigen Staatskunst. 849
die selbst nach einer mit unsäglicher Mühe zu Stande gebrachten Eini-
gung zu gemeinschaftlichem Zwecke sich in Betreff der Mittel und Wege
wieder Heilten, eine einheitliche Macht, die durch Betheiligung an einem
Unternehmen auch wirksame Hülfe gewähren konnte. Doch -der letzte
entscheidende Schritt, den der preußische Staat zu seiner Unabhängigkeit
vom Reiche gethan, war der Art, daß noch lange die Feindschaft zwi-
schen ihm und Oeftreich fortdauerte, indem man von einer Seite den
erlittenen Verlust nicht vergessen, von der andern Seite der Besorgniß
vor bevorstehendem Verluste sich nicht entschlagen konnte. Auch gab es,
seitdem Kaiser Franz im Jahre 1746 das an dem Kurlande haftende
Privilegium cke non appellando auf alle deutschen Länder Preußens
ausgedehnt hatte, nichts mehr, durch dessen Erwartung der König von
Preußen dem Kaiser entgegenzukommen gezwungen, durch dessen Ver-
leihung der Kaiser dem Könige von Preußen entgegenzukommen im
Stande gewesen wäre.
14. Die Unzufriedenheit Oestreichs und die Besorgniß Preußens
verursachte eine Reihe von Unterhandlungen, durch die man sich von
beiden Seiten hinreichend zu stärken suchte, um dem, was eintreten
könne, zu begegnen. Von öftreichischer Seite kam man auf den Ge-
danken, diejenige Macht Europa's, an welcher man seit Jahrhunderten
einen so beharrlichen und folgerichtig vorschreitenden Gegner gehabt,
Frankreich, zum Genossen für Bekämpfung des in Deutschland neu er-
standenen Gegners zu gewinnen. In Frankreich einen mit dem Vor-
theile des Staates verwachsenen, durch seinen Erfolg bewährten, durch
die Gewohnheit festgewurzelten Grundsatz, wie es der einer schrittweisen
Beeinträchtigung Oestreichs geworden war, zu überwinden, war gerade
damals minder schwer, weil bei der Verfassung des Hofes der persön-
lichen Willkühr ein weites Feld geöffnet war. Die Pompadour war
diejenige Person, gegen deren Willen, da sie den König bestimmte, kein
Grundsatz zur Geltung kommen konnte. Darauf baute der öftreichische
Gesandte, Graf Kaunitz, den Plan eines franzöfisch-östreichischen Bünd-
nisses. Der Eifer dafür war so groß, daß die edle Maria Theresia
sich erniedrigen mußte, zur Unterstützung ihres Gesandten an die Pom-
padour zu schreiben. Während dieser Unterhandlungen entwickelten sich
Zwistigkeiten zwischen Frankreich und England durch die Unbestimmtheit,
die der Friede zu Utrecht über die Grenzen ihrer nordamerikanischen
Besitzungen hatte bestehen lassen, und die auch durch den Aachener Frie-
den nicht beseitigt waren. Das an England abgetretene Akadien er-
streckte sich nach Englands Auffassung bis an den Lorenzostrom, was von
Seiten Frankreichs geläugnet wurde. Ebenso bestanden Zweifel über
die Grenzen Louifiana's. Dazu kam, daß die englischen Ansiedelungen
durch eine Verbindung bedroht waren, in welche die Franzosen ihre süd-