1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Zeit der falschen Aufklärung und der gewaltthätigen Staatskunst. 887
das Ergebniß haben mußte, daß ein zum Verderben der Kirche die Hand
bietender Klerus sich bildete, der wegen seiner unkirchlichen Haltung bei
denen, welche einen solchen wollten, keine Achtung, bei dem Volke kein
Vertrauen und keine Wirksamkeit hatte. Von den Klöstern wurden die-
jenigen , welche nach den damaligen Staatsansichten zum Besten der
bürgerlichen Gesellschaft nichts Sichtbares beitrugen, unterdrückt. Die-
jenigen, die man wegen unverkennbarer Nützlichkeit bestehen ließ, wurden
Ln einer Weise behandelt, die ihrer Auflösung vorarbeitete. Damit sie
dem Aussterben näher kämen, wurde die Aufnahme neuer Mitglieder
von der Genehmigung der Negierung abhängig gemacht; damit sie der
Stärke, welche ein jedes aus dem Zusammenhänge mit dem gesammten
Orden schöpfte, beraubt würden, wurde der Zusammenhang zwischen den
einheimischen und den auswärtigen aufgehoben; damit in ihnen die Zucht
Ln Verfall geriethe, wurde angeordnet, daß die Obern nur für bestimmte
Zeit gewählt würden, um der zur Handhabung der Ordnung erforder-
lichen Kraft zu entbehren. Zur Vernichtung des päpstlichen Einflusses
bildete man auf der von Hontheim gelegten Grundlage ein Kirchenrecht
aus, welches unter dem Namen des Josephinismus von der Kirche als
das Hauptmittel zur Vereitelung ihrer Bestrebungen angesehen und über-
all, wo man Beeinträchtigung der Kirche wünschte, beifällig ausgenom-
men und in Uebung gesetzt wurde. Der ganze Verkehr der Bischöfe
mit dem päpstlichen Stuhle wurde gehemmt, und für die Fälle, wo er
nicht unbedingt verboten wurde, einer staatlichen Aufsicht unterworfen,
mittelst deren in jedem beliebigen Falle die Einwirkung des Papstes ab-
geschnitten werden konnte. Die Beseitigung der kirchlichen Macht, deren
Dasein dem Kaiser ein Raub an seinen Herrscherrechten schien, forderte
auch ein Entstellen und Zerbrechen der Formen, in welchen die Kirche
das Volk seine Frömmigkeit zu bethätigen und zu stärken anleitet. Nach
den Grundsätzen einer in der gesammten Verwaltung Josephs hervor-
tretenden Sparsamkeit, welcher oft höhere Rücksichten geopfert wurden,
ergingen Anordnungen, welche Feierlichkeit und Pracht des Gottesdien-
stes schmälerten. Die Heranbildung des Klerus erheischte, wenn sie die
den herrschenden Ansichten entsprechenden Erfolge haben sollte, eine Be-
freiung der theologischen Lehranstalten von bischöflicher Aufsicht. Wäh-
rend die Vorbereitung auf den geistlichen Stand nicht im Auslande ge-
sucht werden durfte, gründete man sogenannte Generalseminarien in
den Städten Wien, Pesth, Pavia und Löwen, deren Leitung man Män-
nern von der genehm gefundenen Richtung übertrug, und um nur Prie-
ster von dem in denselben herrschenden Geiste zu erhalten, wurde
den Bischöfen zur Pflicht gemacht, nur solchen, welche die Negierung
ihnen zuschicken würde, die Weihen zu ertheilen. Vorstellungen, die dem
Kaiser gegen sein Verfahren von einzelnen Bischöfen seines Reiches
Kiesel, Weltgeschichte. Ii. 57