1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
888 Die Zeit der falschen Aufklärung und der gewaltthätrgen Slaalskunst.
gemacht wurden, fanden nicht die mindeste Beachtung, und schnöde ab-
weisend antwortete er auch auf die Warnungen, die der Kurfürst Cle-
mens Wenceslauö von Trier, der jüngste Bruder des Kurfürsten Friedrich
Christian von Sachsen, an ihn richtete. Gleich erfolglos waren die Ver-
handlungen, welche Papst Pius Vi. mit ihm pflog. Als aber im Jahre
1783 der Papst zu persönlicher Besprechung in Wien erschienen war,
mußte er zu der Dcmülhigung, welche er sich durch diesen Schritt selbst
auferlegt hatte, auch noch die erfahren, daß er den Kaiser jetzt so wenig,
als im Verlaufe der späteren Verhandlungen, zu irgend einem Nachge-
den geneigt fand. Dazu kam, daß während seiner Anwesenheit in Wien
eine Flut von Schriften zur Herabwürdigung und Verspottung des Pri-
mates sich ungehindert über das Volk ergoß. Ja der Minister Kaunitz
war, während der Kaiser seinem Gaste wenigstens mit den Formen der
Ehrerbietung begegnete, niedrig genug, denselben durch ungeziemendes
Benehmen zu kränken. Joseph aber bildete seine Neuerungspläne so
weit aus, daß er sich zu einer förmlichen Losreißung der Kirche seiner
Staaten von der Leitung des Papstes entschloß und nur durch das bei
ihm viel geltende Urtheil Azara's, des spanischen Gesandten zu Rom,
den er noch im Jahre 1783 bei einem dortigen Aufenthalte zu Rathe
zog, darauf verzichtete, eine östreichische Landeskirche nach dem Muster
der englischen Hochkirche zu bilden. Während Joseph, der sich persön-
lich nie gegen die Lehren der Kirche erklärte, als Kaiser unter dem
Einflüsse von Ungläubigen zu Gunsten unbedingter Herrschergewalt die
Kirche so zu erniedrigen bestrebt war, konnte er sich dem Wahne hin-
geben, daß deren Diener in solcher Erniedrigung noch fähig sein wür-
den, den Geist des Gehorsams in dem Volke zu pflegen. Er sah nicht,
daß die Anforderungen, die er in diesem Betracht an die Geistlichen
richtete, nur so lange erfüllbar sein würden, als seine Thätigkeit noch
nicht ihre vollen Früchte getragen haben würde. Wie wenig er ein
Verständniß für das Wesen der Kirche hatte, zeigte sich daran, daß er
von den Geistlichen mit Umgehung der Glaubenslehre nur die Sitten-
lehre gepredigt haben und außerdem das Volk in der Kirche mit den
Regeln der Lebensweise und der Wirthschaft bekannt gemacht sehen wollte.
Nach der Ansicht derjenigen, die ihn leiteten, war die Kirche nur darum
noch der Erhaltung werth, um in eine zur Unterstützung der Polizei
dienende Anstalt umgewandelt zu werden.
35. Den stärksten Widerstand fanden die Neuerungen in den nie-
derländischen Provinzen Oestreichs. Die im Jahre 1786 erfolgte Auf-
hebung aller von den Bischöfen geleiteten theologischen Lehranstalten, die
im Jahre 1787 erlassene Bekanntmachung einer ohne Rücksicht auf Ab-
grenzung und Verhältnisse der Landschaften neu gebildete Eintheilung
und Verwaltung, verursachten nicht allein Gährung, sondern auch den