1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Zeit der siegreichen Revolution.
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durch die Heiligkeit der ihr gegenüber zu beobachtenden Pflichten den
Unterschied zwischen ihm und den Häuptern alter mit der Geschichte
ihrer Länder verwachsenen Dpnastieen in Vergessenheit zu bringen be-
stimmt schien. Der Stellung, welche Frankreich dem übrigen Europa
gegenüber eingenommen hatte, fand man aber den Namen eines Königs
nicht mehr angemessen, glaubte vielmehr des kaiserlichen Namens zu
bedürfen, an welchen sich die Vorstellung eines Vorranges vor den
übrigen gekrönten Häuptern, ja einer Hoheit über einen Theil derselben
knüpfte. Indem man Bonaparte, wie er selber gern that, mit Karl
dem Großen, dem Beherrscher des von Gallien ausgegangenen Franken-
reiches, gern zusammenstellte, glaubte man durch ihn das Reich des
ersten abendländischen Kaisers erneuert zu sehen. Zugleich gewährte
die Kaiserwürde, auf Bonaparte übertragen, den Vortheil, daß die
Pracht, in welcher man sie mit der alten von den deutschen Königen
bekleideten Kaiserwürde konnte wetteifern lassen, desto schneller den neuen
Herrscher in der Vorstellung der Menschen auf eine Höhe versetzte, auf
welcher er den Ursprung seiner Macht aus dem Willen eines durch die
Revolution gegen die alte Ordnung empörten Volkes verläugnen konnte.
Ein Kaiserthum in solchem Sinne zu gründen, gab die einseitige Vor-
stellung Anlaß, die sich von dem alten Kaiserthume gebildet hatte, seit
mit den Verhältnissen, die ihm zur Voraussetzung dienten, die Wirklich-
keit in einen schroffen Widerspruch getreten war. Den kaiserlichen Be-
ruf, als einen auf die Kirche bezüglichen, hatte zum letzten Male
Karl V., der letzte der vom Papste gekrönten Kaiser, geübt. Marimi-
lian Ii. war der päpstlichen Krönung ausgewichen, um nicht durch die-
selbe. Pflichten zu übernehmen, die er nach den Verhältnissen und nach
seiner Stimmung unerfüllbar fand. Joseph Ii. hatte ungeachtet der
Kaiserwürde, die ihn zum Schirmer der Kirche machen sollte, sich mit
den in der Zeit herrschenden kirchenfeindlichen Gewalten zum Kampfe
gegen dieselbe verbündet, ja sich zum Vollstrecker der von einer gottlosen
Philosophie gefällten Urtheile gemacht. So übernahm denn auch Bona-
parte, der als Kaiser seinen Vornamen Napoleon führte, mit der neuen
Würde keine Verpflichtung gegen die Kirche, der er vielmehr, nachdem
er ihr Wiedererstehen in Frankreich bewirkt, doch während der ganzen
Dauer seiner Regierung ein Zwingherr blieb, weil er ihr nicht die
volle zu Erfüllung ihrer Sendung nothwendige Freiheit gewähren wollte.
Nichtsdestoweniger ließ er durch Talleprand lange Unterhandlungen mit
Papst Pius Vii. führen, um dessen Mitwirkung zur Gründung des
neuen Kaiserthums, dessen erster Träger er sein sollte, zu gewinnen.
Das Kaiserthum sollte mit der größtmöglichen Feierlichkeit eingeweibt
werden, und hierzu glaubte man, wie sich selbst den der Kirche Entfrem-
deten empfahl, die Pracht einer kirchlichen Feierlichkeit, welche von dem