1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Zeit der siegreichen Revolution. 979
eine den Spaniern ursprünglich fremde Anschauungsweise auch in die
Kreise des in äußerer Unabhängigkeit erhaltenen nationalen Lebens um
so leichter, als die Art, wie dieses eigentliche Spanien regiert wurde,
mit der alten Staatsordnung im Widerspruche stand. Eine Folge der
mitten unter dem Kampfe gegen die Franzosen vorgegangenen inneren
Veränderung war das Verlangen nach einer Berufung der Cortes, noch
mehr aber die neue Gestalt, welche dieselben erhielten. Die Leiter der
Negierung wollten wegen der Größe ihrer Verantwortung eine Vertre-
tung des Volkes berufen sehen, und in die Ausführung dieses Planes
drängte sich die neue französische Ansicht vom Staatswesen, welche, in-
dem sie die Menschen ohne Beachtung ihrer gegebenen Verhältnisse nur
der Zahl nach in Betracht zog, an die Stelle der alten nach Ständen
gegliederten Cortes eine ganz nach Art der französischen Volksvertre-
tung gebildete Versammlung setzte. Die Art der Wahl gab den leicht
und oberflächlich Redenden einen Einfluß, der ihrer eine Menge in die
neuen, nur den alten Namen tragenden Cortes brachte und so der aus
Frankreich herübergekommenen Aufklärung eine Stelle in denselben
sicherte. Die Partei, welche in den Cortes jene Aufklärung vertrat,
gab sich den Namen der liberalen und suchte ihre Gegner-, die an der
alten Verfassung Festhaltenden, durch den Namen der Servilen herab-
zusetzen. Ihre Hauptwaffe war die Hinweisung auf die Mängel, an
welchen die Verwaltung in den Zeiten der letzten einheimischen Könige
gelitten hatte, und zu deren Beseitigung nun die Verfassung selbst geän-
dert werden sollte. So geschah es, daß die im Jahre 1810 in Cadiz
zusammengetretenen Cortes, obgleich Ferdinand Vii. als König und die
Religion als maßgebend für die Formen des Staatölebens anerkannt
blieb, die eigentlichen Hoheitsrechte dem Volke übertragen wurden und
die Trennung der gesetzgebenden richterlichen und ausführenden Gewalt
eingeführt ward. Die auf diesen Grundsätzen beruhende Verfassung,
welche im Jahre 1812 ins Leben trat, trug aber zu Aufhebung des
Zusammenhanges Spaniens mit seinen amerikanischen Besitzungen bei,
dessen Lockerung durch das Eindringen des fremden Herrschers angefangen
hatte. Dort war durch das Beispiel des nördlichen Amerika's der
Gedanke an die Bildung eines selbstständigen Staatswefens schon ge-
läufig geworden. Die Weigerung, den Bruder Napoleons, dem man
dort leicht trotzen konnte, als König anzuerkennen, verbunden mit der
Verwirrung im Mutterlande, unterbrach die von Europa ausgehende
Regierung. Als nun aber die von den Cortes gegebene Verfassung, um
nicht nach dem Grundsatz der Stimmenmehrheit in die Hände der
amerikanischen Spanier ein Uebergewicht zu legen, allen dortigen Spa-
niern von theilweise europäischer Herkunft das Recht, zu vertreten und
vertreten zu werden, vorenthielt, erweiterte der daraus entstehende Un-