1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Zeit des noch lebenden Geschlechtes.
Ausflüsse des Gefühls für Menschlichkeit und Gerechtigkeit dar. Die
Wünsche gingen jedoch nicht in Erfüllung. Die Weftmächte bewaffneten
sich, so laut es gefordert wurde, nicht zur Unterstützung der Polen.
Rußland aber vollbrachte, während Oestreich und Preußen sorgsam ihre
Grenzen hüteten, in Jahresfrist die Unterwerfung der Empörten. Die
von dem Ausbruche der Empörung unzertrennliche Verwirrung wurde
durch den zum Diktator erhobenen Chlopicki einigermaßen beseitigt. Ihn
entfernte es aber von seinem Amte, daß er Rußland gegenüber zu ge-
mäßigten Forderungen rieth. Nachdem ein polnischer Reichstag den
Thron für erledigt erklärt hatte, rückte Diebitsch mit einem Heere ein.
Der Verlauf des Krieges brachte den polnischen Waffen manchen Ge-
winn, und der Aufstand verbreitete sich in die östlicheren Länder des
ehemaligen Polens, so daß das russische Heer, wenn derselbe dort ge-
lang, abgeschnitten worden wäre. Die blutige Schlacht bei Ostrolenka
war zwar für die Polen ungünstig, entschied jedoch so wenig, daß der
polnische Heerführer Skrzpnecki sich uuverfolgt nach Praga zurückziehen
konnte, während Diebitsch, der auch eine Heeresabtheilung nach Litthauen
entsenden mußte, bei Pultusk stehen blieb. Die Geringfügigkeit des Er-
folges machte dem russischen Oberbefehlshaber seine Stellung bei dem
Heere so schwierig, daß er bei dem Kaiser um Erweiterung seiner Voll-
macht und Beseitigung der ihm entgegenwirkenden Umstände bat. Ehe
die Abhülfe erfolgte, raffte ihn die seit Jahren tief aus Asien vorge-
drungene Seuche der Cholera weg, der kurz darauf auch der Großfürst
Constantin zu Minsk erlag. Dem neuen Oberbefehlshaber Paskewitsch
gelang die Unterwerfung. Warschau mußte sich nach heftigem Sturme
zur Uebergabe bequemen, und die polnischen Heerhaufen, die in den
übrigen Provinzen gegen die Russen gekämpft, flüchteten sich größten-
theils auf östreichisches und preußisches Gebiet, wo sie entwaffnet wurden.
Die Verfassung des Königreichs Polen wurde aufgehoben und dasselbe
erhielt in einer engeren Verbindung mit dem russischen Reiche seinen
Ueberwinder Paskewitsch, dem jetzt der Titel eines Fürsten von War-
schau beigelegt ward, zum Statthalter.
15. Einzelne Ausbrüche des Revolutionsgeistes fanden auch in
Italien, in Deutschland und in der Schweiz statt. Sie haben das ge-
meinschaftlich, daß bald die äußere Ruhe hergestellt wurde, daß aber
durch sie die Richtung des Revolutionsbestrebenö sich näher bestimmte
und die Gemüther sich mit den Gedanken vertrauter machten, deren
Verwirklichung diesmal mißlungen war. Vergeblich, wie der polnische
Aufstand, war derjenige, der sich im Jahre 1831 in Modena, Parma
und einem Theile des Kirchenstaates erhob. Die Urheber desselben
hatten darauf gerechnet, daß Frankreich die Dazwischenkunft Oestreichs
verhindern werde, und in Frankreich erscholl der Ruf zu ihren Gunsten