1856 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Zeit des noch lebenden Geschlechtes. 1049
Sache dessen Unterstützung entziehen sollte. Der Eifer war so groß,
daß unter den ohnehin schon radikalen Cantonen diejenigen noch Um-
wälzungen zur Steigerung des Radikalismus erleiden mußten, deren
Negierungen sich nicht gegen Luzern, weil es durch Berufung der Je-
suiten ein den Cantonen für innere Angelegenheiten verfassungsmäßig
zufteheudes Recht geübt hatte, zu Gewaltmaßregeln bestimmen lassen
wollten. Die Folge war, daß unter Zulassung und Förderung der radi-
kalen Negierungen aus der Schweiz sich zu einem Kampfe gegen Luzern
bewaffnete Schaaren sammelten, die man, weil der Kampf kein von
einer öffentlichen Gewalt beschlossener, sondern ein freiwillig unternom-
mener war, Freischaaren nannte. Zwei Versuche, die in dieser Weise
gegen Luzern gemacht wurden, scheiterten an dem Widerstande, welchen
die Negierung von Luzern gleichmäßig den Verschworenen in der Stadt
und den von Außen Anrückeuden leistete. Der Eifer aber war im
Wachsen und einen dritten Versuch sah man vorher. Da schlossen die
sieben Cantone zu ihrer Vertheidigung ein Bündniß, das der Sonder-
bund hieß. Dieses Bündniß, das nur seine Glieder im Genüsse ver-
fassungsmäßiger Rechte schützen sollte, reizte die Feinde zur höchsten Wuth.
Auf die Gefahr, die dem in der Schweiz herrschenden Geiste von einer
in kirchlichem Sinne geschlossenen Verbindung drohe, wiesen sie die pro-
testantische und die uukirchlich gewordene katholische Bevölkerung mit
dem zauberisch wirkenden Worte Ultramontanismus hin, mit welchem
die kirchliche Gesinnung von den Feinden der Kirche als ein Inbegriff
der für die nationale Ehre und das vernünftige Denken gefährlichsten
Grundsätze bezeichnet werden soll. Das Ergebniß dieser Bemühungen
war, daß mit einer wieder durch St. Gallen entschiedenen Stimmen-
mehrheit die Tagsatzung im Jahre 1847 den Beschluß zu gewaltsamer
Auflösung des Sonderbundes faßte. An den Höfen der großen Mächte
von Europa wurde nicht verkannt, daß die Ausführung dieses Beschlus-
ses, die nach der Vertheilung der Machtmittel wahrscheinlich war, einen
großen Sieg für die Sache der Revolution in sich schließen werde.
Doch England zeigte sich den Bestrebungen der Revolution auf dem
Feftlande abermals günstig, und die vier übrigen Mächte fanden Grund
genug, von Vertheidigung der Sache, die sie als die rechte erkannten,
abzustehen. Der Sonderbund unterlag noch im nämlichen Jahre. Seinen
Cantonen wurden radikale Regierungen gegeben. Den Sieg des Ra-
dikalismus zu sichern, ward dann im Jahre 1848, als schon die in
Paris ausgebrochene Revolution für die Besiegten jede Aussicht auf
Hülfe vereitelt hatte und von den Siegern als eine Gewährleistung
ihres Sieges gefeiert worden war, eine längst gewünschte Verfassungs-
änderung bewerkstelligt, die der unter dem Namen eines Buudesrathes
in Bern einaesetzten böchsten Bebörde eine die Selbstständigkeit der ein-
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