1869 -
Leipzig
: Teubner
- Autor: Dietsch, Rudolf
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Griechische Antike
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Israeliten, 51
2. Die Grundlage der mosaischen Gesetzgebung sind die heiligen
zehn Gebote, vou denen noch jeder Moralphilosoph hat zngestehn müßen,
daß ihre wirkliche und vollständige Erfüllung die Menschheit glücklich, die Erde
zu einem Garten Gottes machen würde. Sie sind die Kundgebung des heiligen
Willens Gottes, an der sich das Volk richten sollte, damit in ihm bei der Er-
kenntnis der Sündhaftigkeit die Sehnsucht nach Errettung und Erlösung leben-
dig bliebe: sie stellen die ernste Majestät Gottes gegenüber seiner gnädigen Ver-
heißuug des Messias und bilden demnach den Zuchtmeister auf das Evangelium.
Die gauze übrige Gesetzgebung enthält nur eiue weitere Ausführung jener
Gebote, oder Festsetzungen um das in ihnen verkündete in lebendiges Bewnstsein
zu bringen und darin zu befestigen. Denn da dem Volk die ihm eigentümliche
Zähigkeit des Charakters wie zur Stütze des treuen Festhaltens am Glauben
und Gottes Gebot, so auch im Gegenteil zur Quelle der Halsstarrigkeit und
Verstocknng werden konnte und da es deu Verlockungen unter den Heiden so
lange ausgesetzt war und ferner ausgesetzt sein mnste, so bednrfte es einer ernsten
und strengen Zucht und einer steten Erinnrnng wie an die Allmacht, so an die
Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes, wie an die Beweise seiner Gnade, so an die
Verheißungen. Die Abgötterei ward daher mit dem Tod bestraft. Damit das
Volk bei der Sonderung nach Stämmen und Wohnsitzen sich bewnst bliebe, daß
es dem einen Gotte angehöre, sollte diesem nur ein Heiligtum errichtet werden.
Auf dem Zug nach Kanaan war dies die Stiftshütte, welche durch ihre drei
Abteilungen die uuuahbare Majestät Gottes sinnbildlich darstellte. In dem
Vorhof stand der Altar zu Brandopfern und das Handfaß, aus dem die
Priester sich waschen sollten, bevor sie opferten und in die Hütte träten; denn
nur der reine dürfe sich Gott ticchn1). Aus ihm gelangte man in das Heilige,
wo auf der eiueu Seite der Tisch mit den Schanbroden, auf der andern der
siebenarmige Leuchter aufgestellt ward, Sinnbilder der Gnadenerweifuugeu.
Mitten iuue stand der Räucheraltar. Das Allerheiligste im Innern ent-
hielt den Gnadenstuhl und die Lade des Bundes, den Gott mit dem Volk
gemacht. Die Opfer (Brand-, Speise-, Trank-, Räncheropfer, nach dem
Zweck Sühn-und Schuld-, Friedens- und Dankopfer)2) waren nur sinnbild-
liche Handlungen der Gottesverehrung: die Hingabe an ihn und die Anbetung
blieben die Hauptsache. In Erinnrung an die Schöpfungsgeschichte (§ 2) ward
Gott der siebente Tag jeder Woche (der Sabbath) geweiht. Alle irdische Be-
russarbeit sollte au ihm unterbleiben, damit das Herz sich ungestört zu dem Herrn
1) Aus diesem Grunde waren die aussätzigen und mit sichtbaren Grause« erregen-
deu Leibesübelu Behafteten als von Gott mit Unreinheit geschlagne vou dem Heilig-
tum ausgeschloßeu. — 2) Manche Huben zu erweiseu gesucht, daß die Sitte der Men-
scheuopfer bei den Israeliten ursprünglich gewefeu und uoch lange fortbestanden. Wer
aber die Geschichte vou Jephta uubefaugeu liest (Nicht. 11, 30), kauu doch uichts andres
finden , als daß die Möglichkeit, ein Mensch, ja seine Tochter könne das Opfer werden,
gar nicht in den Gedanken kam bei der Anssprechung des Gelübdes. Die andern Fälle
(4. Mos. 25, 4. I Sam. 15, 33. Ii ©am. 21, 6 ff.) sind gauz ausdrücklich als Strafen
für Verbrechen,^ welche von den getödteten selbst oder ihrem Hause begangen worden,
bezeichnet; die Hinrichtung wird vor Jehovah vollzogen, weil die Unterlaßnng der Strafe
eine Misachtung, ja die sträflichste Auflehnung gegen sein Gesetz ist. Wem eudlich die
Erzählung von der beabsichtigten Opferung Isaaks nichts weiter ist, als eine spätre
Erfindung, gemacht um gewisse Diuge als alt und ursprünglich erscheiueu zu laßen,
der muß immer uubefauguer Weise zugeben, daß die Prüfung des Gehorsams, seiue
Bewärung und der davou empfaugue Segen die eiuzige Teudeuz der Erfinder geweseu
ist und demnach mit vollstem Recht die Behauptung Platz greifen kann, die Forderung
des Opfers fei als das schwerste, anßerordeutlichste, ungewöhnlichste erdichtet, um ebeu
die kein Murren kennende Freudigkeit des Gehorsams hervorznheben.
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