1866 -
Leipzig
: Teubner
- Autor: Dietsch, Rudolf
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Selbstunterricht
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Heinrich Ni der Schwarze 1039 — 1056.
der wolhabeude Archidiaconus Johannes Gratianus, seinen Plan auf Reini-
gung des Papsttums durchzuführen. Er zahlte im Geheimen an Benedict
1000 Pfund Silbers und bestieg an seiner Statt unter dem Namen Gre-
gor Vi den Stuhl Petri. Er begann die Hoffnungen der Eiferer zu erfüllen
und gewann die Anerkennung von Heinrich I von Frankreich und die Zunei-
gung Heinrichs Iii. Sein Scharfsinn in Beurteilung von Persönlichkeiten
wird dadurch bewiesen, daß er den Mann, welchen die Vorsehung zum Voll-
ender der römischen Hierarchie ausersehn hatte, den jungen Mönch Hilde-
brand, aus dem Kloster des Aventin als seinen Kapellan sich zur Seite
stellte A). Da er jedoch durch die Bauten, welche er zur Herstellung der verwüste-
ten Kirchen unternahm, in Geldverlegenheiten geriet und die Art, wie er zum
Stuhl gelangt, nicht verborgen blieb, nahm Silvester Iii seine Ansprüche
wieder auf und auch Benedict Ix, nicht zum Ziel seiner Gelüste gelangt,
griff wieder nach dem verkauften Oberhirtenstab. Welch' entsetzlich Ärgernis!
Drei Päpste in Rom, sich gegenseitig verfluchend und auch mit Schwert und
Lanze bekämpfend! Wer sollte nicht fürchten, daß der herliche Bau der Kirche,
ohnehin aus so vielen schadhaft gewordnen Steinen zusammengesetzt, Um-
stürzen werde, da die zusammenhaltende Spitze von solchen Stürmen umtost
war? Allgemein erkannte man dem Kaiser nicht allein das Recht, sondern auch
die Pflicht zu, dem Streit um den Stuhl Petri ein Ende zu machen, und
teilte auch vielleicht mancher diese Überzeugung nicht, die Einsicht konnte
er nicht zurückweisen, daß nur das weltliche Schwert dem Spiel der römischen
Parteien ein Ende machen könne. Zwar trug Heinrich Iii die Kaiserkrone
noch nicht, aber der geruhige Besitz Italiens') stellte seine Anwartschaft
außer allen Zweifel. Daß man von ihm bereitwilligste und ernsteste Förde-
rung der wahrhaften kirchlichen Interessen hoffen könne, dafür hatte man
Beweise in seiner tiefen Frömmigkeit und in seinen Handlungen. Zwar war
er weit entfernt mit Clugny und den Eremiten die Verehlichung der Geist-
lichen für schädliche Ketzereizu erklären — die nachteiligen in Verschleude-
rung der Kirchengüter und parteiischer Ausübung des Amts bestehenden
Folgen traten bei der sittlich beßern deutschen Geistlichkeit nicht so grell, wie
in Frankreich und Italien hervor und die Mehrzahl der trefflichsten Bischöfe
widersprach dem Eifer der Mönche^) — zwar hielt er das Recht zur Besetzung
der Bistümer für sich feso), aber er gebrauchte dasselbe nur mit gutem und
reinem Herzen und wie er selbst nie Simonie übtcch), so verzieh er auf einer
deutschen Synode') denen, welche durch sie ihre Ämter erlangt hatten, nur
wegen ihrer großen Zahl und aus dringende Bitten, setzte jedoch für alle,
welche sich des Vergehens schuldig machen würden, Amtsverlust und Bann fest. 1
1) Den vielen Legenden itub Entstellungen gegenüber stellt sich über Hildebrands
Lebensver'hältnisse folgendes als historisch herans. Er war geboren um 1020 im
Gebiet der toskanischen Stadt Soana auf dein kleinen Landgut Roavacum, welches
sein Vater Bonizo mit eigner Hand bestellte. Sein Oheim, Abt des Marienklosters
auf dem Aventin, welches einst den Märtyrern Adalbert von Prag und Brun von
Querfurt die Stätte der Vertiefung in Andacht gewesen war und auch jetzt mit
Clugny im engsten Verkehr stand, erzog ihn dort mit mehreren vornehmen römischen
Mnglingen. Was er sah und hörte, zog ihn so an, daß er das Mönchsgelübde
ablegte. Wie wir annehmen müßen, daß Gregor Vi in Hildebrand die später
bewärten großen Eigenschaften erkannt habe, so ist daraus, daß dieser jenes Namen
als Papst annahm, mit Sicherheit schließen, daß dessen Endziel die völlige Unab-
hängigkeit des Papstes vom Kaisertum gewesen sei. — 2) Giesebr. Ii 402. — 3) Man
bezeichnte sie mit dem Namen Nikolaitismus. — 4) So Burkhard von Worms
in seinen Decret. (Iii 75. 207. Iii 64. Nitzsch a. a. O. S. 130). — 5) Giesebr.
382 f. u. 402. — 6) Nitzsch Minist. S. 305. — 7) Über die Zeit Giesebr. Ii 639.