1866 -
Schleswig
: Schulbuchh. Heiberg
- Autor: Dücker, Johann Friedrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Schleswig-Holstein
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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kleine Kloster, die Missionsanstalt, die früher am Fuße der Siegeburg ge-
legen und der jetzt Ludolf als Probst Vorstand, verlegt. Das Missionswerk
Vicelins kam aufs Neue in Flor, das Zerstörte ward wieder hergestellt und
Vicelin ward nicht müde, den Feinden des Evangeliums zu bringen, was
ihnen den Frieden der Seele verschaffen konnte.
Niklots Einfall brachte 1147 der jungen Kirche neue Gefahr, den
Christen neues Leid, dem edlen Vieelin neue Sorge. Der Priester Rudolf
und ein Mönch, denen Vicelin an der neuen Kirche in Lübeck zu wirken be-
fohlen hatte, wurden dort von den Barbaren ergriffen und mit tausend
Wunden erstochen.
Als der Friede wieder hergestellt war, gab es eine Menge Thränen zu
trocknen, Gefangene einzulösen, Hungrige zu speisen. Vicelin und Dithmar,
sein ehemaliger Schüler, der feine Bremische Präbende verlassen hatte, um
seinem betagten Lehrer in Neumünster beizustehen, waren bei dieser Gelegen-
heit eifrig bemüht, den Bedrängten zu helfen. Sie munterten Alle, die sich
zu Neumünster und Högersdorf befanden, auf, den Dürftigen Getreide und
andere Wohlthaten mitzutheilen. Die Zahl der Armen, die vor der Thür
des Klosters lagen, häufte sich zuletzt so sehr, daß die Aufseher über das
Hauswesen den Eingang zu den Vorrathskammern bewahren mußten, damit
nicht Dithmars Wohlthätigkeit zuletzt die Klosterleute selbst darben ließ.
Da schlich der mitleidige Mann, wenn es ihm an Gaben mangelte, sich
heimlich in die Scheunen und theilte das Entwandte unter die Dürf-
tigen aus.
Der Sieg des Christenthums über das Heidenthum in Wagrien war
nun vollendet, obwohl es noch an genügenden kirchlichen Einrichtungen fehlte
und unter einem Theil der wendischen Einwohner die Anhänglichkeit an das
Heidenthum noch eine zeitlang fortdauerte. Es schien daher an der Zeit zu
fein, das seit 1066 erledigte Bisthum Oldenburg wieder herzustellen.
Der Erzbischof Hartwig von Hamburg und Bremen weihete daher Vicelin,
den fein Alter und feine Verdienste ehrwürdig machten, zum Bischof von
Oldenburg (1149). Als aber Vicelin diese Würde ohne Vorwisfen des
Herzogs Heinrich des Löwen und des Grafen Adolf Ii. annahm, entzog er
sich dadurch die Gunst dieser beiden Fürsten. Der Graf zog die Zehnten ein,
die der neue Bischof in diesem Jahre hätte einnehmen sollen. In dieser Ver-
legenheit begab sich Vicelin zu dem Herzog, ihn um Verzeihung zu bitten.
Heinrich empfing ihn zwar mit aller der Ehrerbietung, die er seinen: Alter
und Stande schuldig zu sein glaubte, gab ihm aber zu verstehen, daß er eine
so gute Aufnahme nicht verdient habe. ,,Die Annahme des Bifchofstitels,"
sagte er, „hätte mit meiner Bewilligung geschehen müssen, zumal in einem
Lande, das ich mit den Waffen in der Hand erst aufs Neue habe unterwerfen
müssen. Weil ich aber die Heiligkeit deines Wandels kenne, so habe ich den-
noch beschlossen, deine Erhebung zu begünstigen. Doch muß ich verlangen,
daß du die Investitur (die Zeichen seines Amtes: Hirtenstab und Ring)
aus meinen Händen empfängst." Das schien dem Bischof zu hart und gegen
alle Gewohnheit zu fein; denn er hielt die Investitur der Bischöfe für ein
kaiserliches Vorrecht. Er bat un: Aufschub und Ueberlegung. Nachdem er
seine friedliche Entlassung genominen, begab er sich vorerst nach Bardewiek,
wo er heftig erkrankte. Als er allmählig genas, ließ er sich auf einem Wagen