1866 -
Schleswig
: Schulbuchh. Heiberg
- Autor: Dücker, Johann Friedrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Schleswig-Holstein
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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äschernng Altona's tief bereut haben. „Kein Fluch von allen Denen, gegen
die ich im Kriege gefochten habe," sagte er auf dem Sterbebette zu dem Pre-
diger, der ihm das Abendmahl reichte, „liegt so schwer auf meiner Seele,
als der Segen des Altonaer Predigers."
Görz verlangte nun die Wiedereinsetzung des Herzogs. Man ent-
gegnete ihm jedoch, die Uebergabe sei eben durch seine Doppelzüngigkeit ver-
zögert worden. Als sich nun aber auf Görzens Veranlassung auch der König
von Preußen für den Herzog verwendete, gab Friedrich das Bisthum Lübeck
an den Administrator zurück. Den herzoglichen Antheil versprach er heraus-
zugeben, wenn Tönning mit neutralen Truppen besetzt werde. Dies suchte
Görz aber auf alle Weise zu verhindern; besonders schien es ihm darum zu
thun zu sein, den alten Wedderkop, der noch immer in Tönning gefangen
saß, zu beseitigen, und darum schrieb er von Berlin aus an den Komman-
danten von Tönning den Befehl, Wedderkop enthaupten zu lassen. Zum
Glück für diesen erfuhr Friedrich davon, und dieser, der die Festung einge-
schlossen hielt, machte den Kommandanten für Wedderkops Leben verant-
wortlich.
Der Kommandant sah sich außer Stande, die Festung länger zu halten
und übergab dieselbe am 7. Februar 1714. Sie wurde sogleich geschleift,
und Wedderkop ward frei. Vier Jahre und vier Monate hatte der Greis im
Gefängniß geschmachtet und die Zeit mit der Beschäftigung seiner Jugend,
mit musikalischer Unterhaltung, hingebracht, auch einen Mitgefangenen Lieu-
tenant im Christenthum und in der Tonkunst unterrichtet. Mit großer Vor-
sicht gewöhnte er sich nach seiner Freilassung an die Lust; er erhielt seine
Güter wieder und starb zu Hamburg den 16. Januar 1721.
Nach der Einnahme Tönnings ward Görzens Doppelzüngigkeit offen-
bar. Man fand in der Chatouille des Kommandanten die Beweise, die
Papiere, namentlich den Befehl des Herzogs, die Schweden im Nothfall
einzulassen. Der schlaue Görz hatte sich sreilich die Originale von dem
Kommandanten ausliefern lassen; der Kommandant hatte jedoch zu seiner
eignen Rechtfertigung für beglaubigte Abschriften gesorgt.
Nichts konnte dem König erwünschter sein, als dieser Fund; die Got-
torfsche Regierung hatte ihre Zusagen gebrochen und hatte es mit den
Schweden gehalten, und Friedrich hielt sich jetzt vollkommen berechtigt, den
Gottorfschen Antheil als einen eroberten zu behalten. Er hatte schon am
13. März 1713 in einem Patent erklärt, daß er sich für den alleinigen
Herrn beider Herzogthümer ansehe; er schaltete jetzt in Schleswig wie in
Holstein als alleiniger Landesherr und hielt den herzoglichen Antheil mit
Truppen besetzt. Die Gottorfer Regierung war aus dem Lande getrieben
und der ränkevolle Görz suchte vergebens bei den auswärtigen Höfen einen
Verfechter seiner Sache.
Ueberall abgewiesen, nahm er endlich wieder seine Zuflucht zu Karl Xii.,
der jetzt bereits fünf Jahre in unbegreiflicher Unthätigkeit in der Türkei
zugebracht hatte. Von Görz dringend aufgefordert, brach Karl endlich am
1. October 1714 auf und ritt so schnell durch Ungarn und Deutschland, daß
er am 22. November Nachts um 1 Uhr vor dem Thore Stralsunds ankam.
Görz begab sich nun zu ihm, trat in seine Dienste und entwickelte als
schwedischer Minister eine solche Thätigkeit und Gewandtheit, daß ihn Karl