1866 -
Schleswig
: Schulbuchh. Heiberg
- Autor: Dücker, Johann Friedrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Schleswig-Holstein
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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England verheiratete, ,,wetteiferte daher auch Alles, der erhabenen Schön-
heit Rosen auf den Weg zu streuen und Weihrauch zu opfern; denn Jeder
hoffte, daß sich nun Freude und Glück vom Thron bis in die niedrigste Hütte
verbreiten werde".
Das wurde aber bald ganz anders. Die Stiefmutter des Königs,
die berüchtigte Braunschweigerin Juliane Maria, hätte gern ihrem Sohn
Friedrich die Krone zugewendet, und arbeitete mit ihren Creaturen un-
ermüdlich daran, das Glück des jungen Ehepaares zu untergraben. Zunächst
wurde darauf hingewirkt, den jungen, leidenschaftlichen König in Aus-
schweifungen aller Art hineinzuziehen und dadurch die verbundenen Herzen
zu trennen, was nur zu gut gelang.
Nachdem ihm am 28. Januar 1768 ein Sohn geboren war, den er
Friedrich nannte, trat der junge König im Mai eine Reise nach Frankreich
und England an. Bereits während dieser Reise hatte der Leibarzt Johann
Friedrich Struensee sich bei dem Könige sehr angenehm zu machen
gewußt. Er war der Sohn eines Predigers in Halle, der später General-
superintendent im königlichen Antheil von Schleswigholftein wurde. Bis
zur Reise des Königs war Struensee Physikus in Altona gewesen; nach der
Rückkehr blieb er in des Königs Nähe und war nun eifrig bemüht, auch die
Gunst der Königin zu erlangen. Eine Blatternseuche, die eben damals in
Kopenhagen herrschte, gab dazu Gelegenheit. Die Schutzpocken waren
damals noch selten; Struensee impfte den Kronprinzen, um ihn vor der
Seuche zu schützen, und das gelang. Da zog ihn die Königin auch weiter bei
der Behandlung des schwächlichen Knaben zu Rathe. Struensee drang auf
Abhärtung, und die Kränklichkeit des Kindes wich unter seiner Behandlung
mehr und mehr. Diese glänzenden Erfolge verschafften dem geschickten Leib-
arzt die Gewogenheit der Mutter; König und Königin schenkten dem begabten,
kenntnißreichen Mann ihr unbedingtes Vertrauen, und Struensee war bald
auch in anderen als ärztlichen Sachen ihr Rathgeber. Der König hatte ihn
zu seinem Vorleser erkoren, und als solcher trug er dem Monarchen den Inhalt
aller Eingaben vor. Der König entschied dann die Sachen in Gegenwart
seines Leibarztes, und dieser leitete bald unter dem bescheidenen Titel eines
Vorlesers alle Staatsangelegenheiten. Personen, die seinen Plänen hinder-
lich waren, wurden aus dem Staatsdienst oder wenigstens aus der Nähe
des Königs entfernt und andere an ihre Stelle gebracht. So ward der
bisherige Minister Bernstorf entlassen und Struensee's Freund Brandt
als Gesellschafter des Königs angestellt.
Struensee stieg jetzt von einer Ehrenstufe zur andern und wurde endlich
am 15. Juli 1771 förmlich zum geheimen Kabinetsminister ernannt und
darauf nebst seinem Freunde Brandt in den Grafenstand erhoben.
Der neue Minister griff nun reformirend in alle Zweige der Staats-
verwaltung ein. Er schaffte die Tortur ab, schränkte die Leibeigenschaft
ein, erlaubte die Haustaufen, errichtete Findelhäuser, erließ zweckmäßige
Verordnungen gegen den Müssiggang und für die Armen, schaffte viele
Festtage ab, „weil sie mehr zum Müssiggang als zur Gottesverehrung
gebraucht wurden," verbesserte das Lootsen- und Postwescn, suchte die
Steuern zu vermindern und verkündigte die uneingeschränkte Preßfreiheit.
Der Einfluß und die Neuerungen des Emporkömmlings weckten natür-