1866 -
Schleswig
: Schulbuchh. Heiberg
- Autor: Dücker, Johann Friedrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Schleswig-Holstein
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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den Thron gelangte, so mußte es nach deutschem Recht auch mit Schleswig-
holstein und Dänemark geschehen; Schleswigholstein mußte ein selbstständiger
Staat unter dein Herzog von Augustenburg werden.
Im Hinblick auf diesen unvermeidlichen Fall wollte aber der König
eben vor seinen: Lebensende noch ein sicheres Fundament für seine Lieblings-
idee, den dänischen Gesammtstaat, gewinnen. Darum hatte er bisher der
dänischen Partei, obgleich sie auch in Dänemark nach freisinnigen Einrich-
tungen strebte und die unumschränkte Königsgewalt anzutasten wagte, freien
Spielraum gelassen; darum hatte er die Bewohner der Herzogtümer durch
allerlei Kleinlichkeiten an den Gesamn:tstaatsgedanken zu gewöhnen gesucht;
darum erließ er jetzt am 8. Juli 1846 den bekannten offenen Brief, in
welchem er erklärte: „daß nach den auf seinen Befehl vorgenommenen
Untersuchungen für das Herzogthum Schleswig und das Herzogthum
Lauenburg die Erbfolge des Königsgesetzes unzweifelhaft gelte; daß er sich
wegen der hinsichtlich einiger Theile von Holstein obwaltenden Verhältnisse
gehindert sehe, sich mit gleicher Bestimmtheit über die Staatserbfolge in
dem Herzogthum Holstein auszusprechen, jedoch unablässig bemüht sein werde,
diese Hindernisse zu beseitigen und die vollständige Anerkennung der In-
tegrität eines dänischen Gesammtstaats zuwege zu bringen; doch solle der
Selbstständigkeit Schleswigs, soweit sie bisher von ihm anerkannt worden
sei, dabei nicht zu nahe getreten werden."
Es läßt sich denken, daß dieser offene Brief eine ungeheure Aufregung
und entschiedene Proteste hervorrief.
Am 15. Juli war die holsteinische Ständeversammlung zusammen-
getreten, irnd an diese wandte sich nun das Volk der Herzogthümer in
zahlreichen Petitionen und Adressen, so sehr es auch die Regierung durch
Befehle an die Polizeibeamten zu verhindern suchte. Die Ständevcrsamm-
lung beschloß eine Adresse an den König, in welcher sie sich mit allem Ernst
gegen den Inhalt des offenen Briefes aussprach. Der königliche Kommissar
verweigerte aber die Annahme derselben, und so sandten denn die Stände
eine Beschwerde an den deutschen Bundestag, weil ihr das nach der Ver-
fassung ihr zustehcnde Recht der Bitte versagt werde. Nachdem das geschehen
War, gingen die Abgeordneten auseinander.
Die Glieder der jüngern königlichen Linie, denen das Erbrecht auf die
Herzogthümer zustand, protestirten ebenfalls gegen die Auffassung des Königs.
Der älteste Sohn des schon 1806 protestirenden Herzogs von Augustenburg,
Christian, war kurz vor der Veröffentlichung des offenen Briefes noch zum
Besuch seines königlichen Schwagers in Kopenhagen gewesen und hatte
demselben seine beiden am 17. Juni eonfirmirtcn Söhne vorgestellt. Von
dem, was den König ganz beschäftigte, ward dem Herzog Nichts mitgetheilt.
Der König war außerordentlich liebenswürdig und ernannte die beiden Söhne
des Herzogs zu Obristlieutenauts a la suite. Der Herzog reiste von
Kopenhagen weiter nach Schweden, um dort Güter zu kaufen. Als er in
das königliche Schloß zurückkehcte, fand er in dem für ihn bestimmten
Zimmer ein Exemplar des offenen Briefes und ein in dänischer Sprache
abgefaßtes Schreiben des Königs, in welchem Christian den Herzog anf-
forderte, sich, wenn er seine Rechte gekränkt glaube, nicht an Andere, son-
dern an den König selbst zu wenden. Auch kam ein königlicher Vertrauter