1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
30 Gang und Gliederung der vorchristlichen Geschichte.
den. Das persische Reich hatte in der Zeit seiner größten Ausdehnung
und Macht im nordwestlichsten Indien, in dem Pendschab oder der
Pentapotamie, eine seiner Provinzen. Der macedonische Eroberer be-
trat dieselben Gegenden und hinterließ sie als einen unsichern Besitz für
kurze Zeit demjenigen der aus seiner Herrschaft hervorgegangeuen Reiche,
das die ursprünglichen Gebiete des Perservolkes in sich schloß. Alles dieses
aber hatte weder auf die Inder noch auf die Völker des Westens einen nach-
haltigen Einfluß und die geschichtliche Bedeutung Indiens beschränkt sich,
von seiner Wichtigkeit für den Handel abgesehen, auf die Ausbeute, die es
der Forschung über eine der ältesten Religionen und eine der ältesten
Sprachen gewährt. Es ist einerseits eine Quelle von Aufschlüssen über
die Wege, die der sich selbst überlassene Menschengeist, von Ahnungen
geleitet, zur Herstellung des Verhältnisses zu Gott einschlug und gibt
Zeugniß von der Verschlingung unvertilgbarer Erinnerungen aus der
Urzeit und des bei verfehlter Benutzung derselben wuchernden Irrthums.
Es ist anderseits eine Quelle, aus welcher die Sprachkunde eine Fülle
von Aufschlüssen über die ursprüngliche Einheit der Sprachen und über
die Wege, aus welchen ihre Trennung vor sich gegangen ist, erwartet,
um damit sowohl manche Räthsel im Gebiete der allgemeinen Sprach-
wissenschaft zu lösen, als auch einzelner Völker Sprachen und Stammes-
verwandtschaft aufzuklären. Die Religion der Inder hat, als sie dem
Abendlande bekannt geworden, in der Trimurti, der Dreiheit des obersten
als Brahma, Wischnu und Siwa, oder als schaffende, befruchtende und
zerstörende Gewalt gefaßten Gottes, in den Verkörperungen oder Incar-
nationen des Gottes, in dein ascetischen Leben der Brahmanen oder
der Priesterkaste für eine oberflächliche Betrachtung Aehnlichkeiten mit
der christlichen Religion darzubieten geschienen, durch welche eine irreli-
giöse Gesinnung verleitet wurde, das Wesen des Chriftenthums, als Aus-
fluß der in einem gewissen Theil des Orients heimischen Nationalitäten
erklären zu wollen. Man verkannte es, daß auffallende Aehnlichkeiten
in der Form bei dem größten Abstande des Inhaltes möglich sind, daß
überall getrübte Nachklänge uralter Offenbarungen übrig geblieben sind,
die als solche zu dem Christenthum eine Beziehung zeigen müssen, da
mit diesem alle Offenbarung übereiustimmt und auf dieses alle Offenba-
rung hinweist. Die Forschungen in der indischen Sprache haben gelehrt,
daß das durch die Kaste der Brahmanen und ein aus der Kaste der
Krieger, den Kshatra, hervorgehendes Königthum beherrschte Volk, dem
als dritte Kaste noch die Ackerbauer und Gewerbetreibenden, die Visas,
angehören, von Nordwesten her in das Land gewandert ist und den öst-
lichen Zweig des ursprünglich in den Quellgegenden des Orus heimi-
schen Volkes der Arier bildet, dem die vierte Kaste des Landes, die
Sudra, ausgeschlossen vom Lesen der ältesten Neligionsurkunden, der