1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Babylonier und die Assyrier.
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Laufe seiner Geschichte kenntlich bleibt, verwischen zu können. Die ge-
ringe Festigkeit, welche der Herrschaft solcher in geordnete Staaten ein-
gedrungenen Nomaden eigen zu sein pflegt, mag den Uebergang des
Landes unter die Herrschaft desjenigen Volkes erleichtert haben, dessen
Könige Berosus die sechste Dynastie Babyloniens nennt, der Assyrier,
mit deren Geschichte die der Chaldäer sich jetzt verflicht.
2. Nach der heiligen Schrift ist der assyrische Staat durch eine
von Babylonien aus gegründete Ansiedelung an der Ostseite des oberen
Tigris entstanden, der auch die große Königsstadt Ninive, oberhalb der
Mündung des großen Zab an der Ostseite des Tigris gelegen, ihren
Ursprung verdankt. Dieser Staat, dessen Bevölkerung man sich als aus
semitischen und iranischen Bestandtheilen erwachsen denken muß, ist durch
Eroberungen zu einer ausgebreiteten Herrschaft in den an einander
grenzenden iranischen und semitischen Theilen von Asien gelangt und die
Lage der Stadt Ninive entspricht recht deutlich dem Bedürfnisse einer nach
diesen beiden Seiten hin zu behauptenden Herrschaft. Das am Orus
und am Jarartes gelegene Baktrien, Theile des Hochlandes von Iran,
die Ebenen des Euphrat und des Tigris haben Bestandtheile desselben aus-
gemacht und manchen Spuren zufolge hat sich sein Einfluß bis tief nach
Kleinasien hinein verbreitet, ehe die Völker an den Küsten des Mittelmeeres
von ihm berührt wurden. An die Spitze desselben stellen griechische
Nachrichten Ninus und seine Frau und Nachfolgerin Semiramis, und
berichten von dem ersteren Kämpfe in Baktrien, Armenien und Medien,
von der letzteren große, wahrscheinlich sagenhaft so weit ausgedehnte
Eroberungszüge nach Indien, Aethiopien und Libyen. Beide gehören
zu den mythischen Wesen, unter welchen ursprünglich vergötterte Natur-
kräste verstanden waren, auf welche aber im Laufe der Zeit die Sage
die Thaten des ihnen dienenden Volkes übertrug, bis sie sich in mensch-
liche Herrscher umdeuteten. Die Königin Semiramis, gleich andern
Gebilden heidnischen Götterglaubenö Sittenlosigkeit und Grausamkeit
mit Thatkraft und Heldenthum vereinend, deutet als Tochter der syri-
schen Göttin Derketo, die, wie die Tochter die Tauben, so ihrerseits den
Fisch zum Sinnbilde hat, auf einen weit durch das vordere Asien ver-
breiteten Götzendienst und vielleicht läßt sich die Sage von ihrem durch
ihren aufrührerischen Sohn Ninyas veranlaßten Verschwinden als my-
thische Erinnerung einer Umwälzung ansehen, durch welche eine mit
jenem Götzendienste zusammenhängende priesterliche Regierung einer auf
Kriegsmacht beruhenden Herrschaft weichen mußte. Eine Reihe von
dreißig Königen, sämmtlich von Ninyas abstammend und nach der Mutter
der Semiramis die Derketaden genannt, folgte, gleich Ninyas weibisch,
weichlich, in Unthätigkeit und Sittenlosigkeit versunken. Der letzte von
ihnen ist Sardanapal, der einem Aufstande der empörten Meder und