1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Babylonier und die Assyrier.
gegen die Abhänge des armenischen Hochlandes sich hinziehenden, von
den Griechen mit dem Namen Mesopotamien belegten Theile der Ebene
eines der reichsten Getraideländer und häufige Palmenpsianzungen schmück-
ten seine weiten Ebenen. Den Reichthum förderte Kunstfleiß und ein
nach allen Seiten ausgedehnter Handel. Babylon war berühmt durch
seine Teppiche und Gewänder mit eingewirkten Figuren und wurde durch
die Erzeugnisse seiner dem Luruö dienenden Gewerbe ein Sammelplatz
unaufhörlich zuströmender Fremden. Seine Karawanen zogen nach
Indien, Baktrien, Armenien und Phönicien und seine Flußschiffe fuhren
nach dem persischen Meerbusen. Zu seinem Landhandel benutzte es
Schaaren benachbarter Nomaden, deren Thätigkeit hierdurch zugleich von
Raub und Plünderung abgeleitet wurde und die sich als Werkzeuge des
Handelsverkehres wenigstens zu einer Mittelstufe zwischen dem nomadi-
schen und dem seßhaften Leben erhoben. Nach Armenien führte es auf
dem Flusse wegen dessen Schnelligkeit keine Maaren, aber armenische
Maaren wurden ihm auf dem Flusse in Schiffen zugeführt, von denen
das Holz in Babylon verkauft wurde und nur die ledernen Ueberzüge
zu Lande nach Armenien zurückgingen. Seinen Seehandel betrieben, da
es ihm selbst an Schiffsbauholz fehlte, die auf den waldreichen Inseln
Tylus und Aradus wohnenden Phönicier, die es mit indischen und ara-
bischen Küsten in Verbindung brachten und Elfenbein, Ebenholz, Zimmt,
Perlen, Edelsteine und Rauchwerk zuführten. Daß in dein babylonischen
Reiche der Erhaltung des Andenkens an die Herrscher und ihre Thaten
Sorge gewidmet worden, zeigt Berosus, der zu jener Zeit, als die den Ma-
cedoniern unterworfenen asiatischen Völker ihre Ueberwinder mit den Ge-
schicken ihrer Vorzeit bekannt zu machen bemüht waren, Stoff genug vor-
faud, zusammenhängende Annalen aufzustellen. Die Quellen, aus denen er
schöpfte, mögen zum Thcil Inschriften gewesen sein, wie sich deren bei
Nachgrabungen in den Trümmerhügeln von Babylon und Ninive ge-
funden haben. Wie Vieles aber von diesen Aufzeichnungen, die in die
weiche Masse der Ziegel mit Stempeln eingeprägt wurden, vernichtet
ist, ergibt sich daraus, daß Jahrhunderte lang diese Trümmer bei Er-
richtung neuer Städte als Steinbrüche benutzt worden sind. Ein Geist
der wissenschaftlichen Speculation, wie ihn die Inder besaßen, scheint
den Babyloniern fremd gewesen zu sein. Assyrien, in Leben und Sitte
mit Babylonien verwandt, zeigt in seiner Religion eine Beimischung des
aus der Magierlehre der Jranier stammenden Dienstes von Feuergott-
heiten, welcher in dem Dienste des Moloch im vorderen Asien fortlebte
und mit welchem der Mythus von Sardanapal in Verbindung steht.
Theilweise hat dieser Dienst mittelst der assyrischen Oberherrschaft auch
auf Babylonien eingewirkt, wie denn auch die bei Semiten sonst nicht
vorsindliche Keilschrift auf Einwirkungen von derselben Seite hindeutet.