1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
52
Die Aegyptler.
ein so hohes Alter angewiesen, daß ihre Anfänge nahe an die Urge-
schichte der Menschheit zu rücken scheinen und daß die Frage entsteht,
ob nicht, wenn ihre Erforschung und Deutung weiter gediehen, sich ein
jetzt ungeahntes Licht über die Anfänge der Völkergeschichte überhaupt
verbreiten werde.
3. Woher das Volk dieses Landes gekommen und wann seine Ge-
schichte als eines für sich abgeschlossenen begonnen, das sind Fragen, die sich
nach dem jetzigen Standpunkte der Wissenschaft nnr mit allgemeinen
Vermuthungen beantworten lassen. Die Sprache, die sonst auf solche
Fragen Andeutungen gibt, hat hier noch wenig Ausbeute geliefert. Die
Sprache des alten Aegyptens ist diejenige, aus welcher die kirchliche
Sprache der jetzigen ägyptischen Christen, die koptische, sich entwickelt hat.
Sie hat, soweit ihre Erforschung gelungen, sich als ein zwischen den
semitischen und indogermanischen Sprachen liegendes Mittelglied ausge-
wiesen, ohne eine nahe Verwandtschaft des Volkes mit irgend einem andern
darzuthun. Gleichartige Kunstdenkmäler und gleichartige Verfassung ver-
rathen zwar einen Zusammenhang mit dem im Aethiopenlande zwischen dem
blauen Nil oder Astapus und dem Atbara-Taeazze oder Astaboras gele-
genen Staate Meroe. Einerseits aber ist die Frage, welches von den
beiden Ländern das Mutterland des andern sei, verschieden beantwortet
und anderseits bleibt die Frage nach der gemeinsamen Herkunft der
beiderseitigen Bevölkerung übrig. Nur Indien, wie Aegypten ein Land
kolossaler Baudenkmale, dessen Bevölkerung auch durch Religion und
Verfassung der ägyptischen ähnlich ist, bietet sich als muthmaßlicher Aus-
gangspunkt der Wanderung dar, welche Aegypten und Meroe die Er-
bauer seiner Denkmäler zugeführt hat, während eine von diesem kauka-
sischen Stamme Vorgefundene und unterworfene negerartige Bevölkerung
auf näherem Wege die Sitze der ursprünglichen Menschen verlassen
haben kann. Den Anfang der ägyptischen Geschichte setzt Manetho nach
seinen Quellen in einer Art, wie die Inder thun, mittelst einer Anzahl
astronomischer Perioden oder Cykten, die er für die Dauer derselben
in Anspruch nimmt, um eine ungeheure Reihe von Jahren rückwärts,
indem er 24,837 Jahre lang das Land von Göttern und Halbgöttern
beherrschen läßt und den ersten menschlichen König Menes, dem die
Griechen Austrocknung des Landes, Ableitung des Flusses und Erbauung
von Städten zuschreiben, in einer Zeit folgen läßt, die nach Maßgabe
der für seine Nachfolger angegebenen Zeiträume 5702 Jahre vor Ehr.
Geb. beginnen müßte. Da nämlich von den Jahren, nach welchen die
Aegyptier rechneten, 1461 auf 1460 Manische Jahre gingen, scheinen
die Quellen des Manetho eine Zeitrechnung befolgt zu haben, die bis
in das I. 139 nach Ehr. Geb., wo eine der genannten Perioden endete,
deren 21 für die ganze Dauer der ägyptischen Geschichte hatte, indem