1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Israeliten.
Stadt an der Stelle des späteren Jerusalem, ein Priester des höchsten
Gottes erscheint. Dient er auch als Beispiel und Beweis, daß außer-
halb der Familie oder des Stammes Abrahams sich Gotteserkcnntniß
erhalten, so steht doch Abraham neben etwaigen andern Trägern ur-
sprünglicher Offenbarung selbstständig da als erstes Glied in der Kette
bestimmter Glaubensüberlieferung. Diese Ueberlieferungen setzen sich
aber nicht in der Gesammtheit seiner Nachkommen fort, vielmehr leiten
sich von ihm außer den Israeliten auch Stämme her, die aus dem
Kreise jener fortgesetzten Ueberlieferung heraustreten. Schon die Nach-
kommen Lots, die Moabiter und Ammoniter, scheiden sich von den Nach-
kommen Abrahams; durch Ismael und andere nicht von der Sara ge-
borene Söhne wird Abraham auch der Stammvater arabischer Stämme,
die, wenn auch nicht unentstellt, so viel abrahamitische Ueberlieferung
bewahrten, daß in ihrem Lande nach vielen Jahrhunderten eine an
Abraham anknüpfende Erneuerung der Religion begonnen werden konnte.
Noch einmal spaltet sich der Stamm der ächten Nachkommen Abrahams
durch die Söhne Isaaks, Edom und Israel, deren erfterer der Edomiter
Stammvater wird, während der letztere dem auserwählten Volke seinen
Namen gibt.
4. Bis auf Abrahams Enkel Jakob oder Israel erhält sich die
Verbindung mit den in der aramäischen Heimath zurückgebliebenen Glie-
dern der Familie, sie hört unter ihm aber auf und die Erfüllung der
göttlichen Verheißung, daß von Abraham ein großes Volk abstammen
solle, beginnt sich in den zwölf Söhnen Jakobs zu verwirklichen, durch
welche zugleich zu einer in der Volkseinheit enthaltenen Mannigfaltigkeit
der Stämme der Grund gelegt wird. Vor Beginn dieses Ueberganges
erhält Jakob die beiden Offenbarungen durch den Traum, in welchem
er die Engel die Himmelsleiter auf und nieder steigen sieht und den
Kampf, welchen er mit einem Engel zu bestehen hat und nach welchem
er den Namen Israel, d. h. Gotteskämpfer erhält, sowie die hieran
geknüpfte Deutung nebst der Wiederholung der abrahamitischen Ver-
heißung. Es stellt sich in dieser doppelten Offenbarung die Glaubens-
wahrheit dar, daß sich Gott in der Gründung einer freien Menschenwelt
zum Menschen herablasse und ihn übe und schule und daß der Mensch
Gott den Segen gleichsam abringen müsse. Der Uebergang der Fami-
liengeschichte in die Volksgeschichte erfolgt aber mit der Versetzung des
Volkes nach Aegypten. Der natürlichen Entwicklung überlassen, würden
die Nachkommen Jakobs nur die Tüchtigkeit haben erlangen können,
die sich auch bei Beduinen der Wüste findet. Sie sollten aber fähig
werden, ungeachtet der Theilung in Stämme die innere Einheit in
Religion und Sitte zu erhalten und in Berührung mit den verschie-
densten Völkern Bewahrer und Verkünder der göttlichen Offenbarung