1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
176 Die Griechen vor dem Kampfe mit den Persern.
wirkte, übten sie eine Aufsicht über alle Behörden, die den Schutz gegen
Willkühr zum Zweck hatte und ihrerseits in gefährliche Willkühr auszu-
arten durch die Kürze ihrer Amtsdauer und durch ihren monatlichen
Schwur, das nach den Gesetzen waltende Königthum ungeschwächt zu
lasten, verhindert wurde. Die Könige mußten vor ihnen aufstehen, ihrer
Vorladung folgen und konnten vor einem aus der Gerüste und den
Ephoren zusammengesetzten Gerichte, dem dann der andere König an-
gehörte, verurtheilt werden. So blieb den Königen nur der Heeresbe-
fehl und das mit dem altgriechischen Königthume überhaupt verbundene
höchste Priesteramt. Zugleich aber waren sie hoch erhaben als die den
Staat vermöge ihrer Abstammung mit der Götterwelt verbindenden
Vermittler, in welcher Eigenschaft ihnen auch die Unterhaltung der
Verbindung mit dem delphischen Orakel zukam. Die Verfassung des
spartanischen Staates war hiernach, ungeachtet des Königthums, eine
Aristokratie, eine Regierung der Besten, in sofern die Negierungsgewalt
nicht bloß in den Händen der bevorzugten Bevölkerungsklasse der Spar-
tiaten lag, sondern auch von diesen wieder dem Haupttheile nach der
Gerüste als einem Ausschüsse, der gereifte Erfahrung seiner Mitglieder
mit lebenslänglicher Dauer ihrer Amtsführung verband, übertragen
wurde und das königliche Uebergewicht an dem aus dem Argwohn der
Aristokratie hervorgegangenen Ephorat sein Gegengewicht hatte.
30. Was aber dem spartanischen Staate mehr als die Vertheilung
der Gewalt für die Folge seinen eigenthümlichen Charakter gegeben hat,
ist die über alle Arten der Thätigkeit der Spartiaten sich erstreckende
Diöciplin. Indern die Spartiaten als ein Kriegöheer in der Landschaft
angekommen waren und die hiermit gegebene Geschlossenheit, Absonde-
rung und Stärke nicht aufgeben sollten, wurde es nöthig, ihr Leben
in Formen zu binden, wodurch der Charakter eines Heereslagers, soweit
cs die durch die Niederlassung veränderten Verhältnisse gestatteten, er-
halten oder, sofern dieser Charakter durch das Zerfließen der alten
Formen in den neuen Verhältnissen sich verwischt hatte, unter der den
Umständen angemessenen Erweiterung erneuert werden konnte. Hierzu
war erforderlich, daß die Gefühle aller Einzelnen in dem Boden des
staatlichen Lebens wurzelten und sich, so viel als möglich, von Haus und
Heerd schieden, damit der Staat über den Einzelnen immer in der un-
bedingten Weise, wie der Heerführer über den Krieger, verfügen könne.
Dies war nöthig, wenn die Spartiaten der zahlreicheren übrigen Be-
völkerung, die theils noch nicht unterworfen war, theilö wie ein gefan-
gener Feind bewacht werden mußte, furchtgebietend gegenüber stehen
sollte und es konnte nur dann erreicht werden, wenn die Möglichkeit,
neben den mit dem Dasein des Staates verbundenen Zwecken nock-
andere der Persönlichkeit entsprechende zu verfolgen, auf das geringste