1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
und der Unterwerfung Italiens-
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wickelten Leben des Staates ergriffen wurden. Dieses allmälige und
keineswegs bloß äußerliche Anwachsen bewahrte fortwährend ein Bewußt-
sein von der Bedeutung, die der Einzelne im staatlichen Leben hat und
war zu gleicher Zeit Förderungsmittel und Ergebniß einer Sitte, ver-
möge deren alle besonderen Bestrebungen in dem Leben des Staates
aufgingen. Da jedoch nicht in den einzelnen entscheidenden Zeitpunkten
dieses Ziel des römischen Staatslebens klar vor den Augen Aller lag,
waren die einzelnen Theile des Weges nur mittelst heftigen Kampfes
zurückzulegen und, während der Staat durch Krieg und Eroberung sich
erweiterte, bestand er in dem Streite, den der Gegensatz älterer und
jüngerer Ansprüche in seinem Innern erregte, schwere Proben. Daß er
aber in denselben sich immer mehr befestigte, verdankte er einer der
ursprünglichen Anlage und Neigung des Volkes entsprechenden, im
Laufe der Zeit mit Ueberlegung gepflegten Kunst, bindende Formen zu
finden und die Achtung vor denselben zu erhalten. Die ganze Grund-
lage des Staates war Uebereinkunft und Beobachtung der dadurch fest-
gestellten Regeln. Das Volk selbst ist nicht ein unmittelbar mit einer
bestimmten Eigenthümlichkeit in die Geschichte eintretendes, sondern eine
künstliche Einheit verbindet Stämme mit einer Festigkeit, wie sie nur
das tiefste Bedürfniß der Einigung und die tiefste Ehrfurcht vor dem
Vertrage gemeinsam Hervorbringen können. Daher ist der römische
Staat eine Schule des Rechts, das er als eine Kunst und als eine
Wissenschaft übt und ausbildet. In Rom erprobt es sich, welche bin-
dende Kraft in den rechtlichen Formen liegt und wie weit die Kraft
derselben reicht, um menschliche Ziele zu setzen und zu erreichen. Wie
daher Griechenland in der Kraft, mit welcher das Leben des Einzelnen
Ideen entdeckt und verwirklicht, seine Bedeutung hat, wird Rom die
Lehrerin der Völker in der Kunst, die Bedingungen des gemeinschaftlichen
menschlichen Daseins festzustellen und die Willkühr des Einzelnen unter
die Herrschaft eines schrittweise entwickelten und vertragsmäßig festge-
stellten Rechtes zu bannen. Freilich konnte dieser Dienst rechtlicher
Formen nur für eine Zeitlang dem Leben einen Gehalt geben. Rom
langte gleich Griechenland an einem Punkte an, wo die seinem Geiste
eigenthümlichen Bestrebungen ihre Unfähigkeit, den Menschen in seinen
tiefsten Bedürfnissen zu ergreifen, herauöstellten. Die Kraft, mit welcher
Rom Jahrhunderte lang immer Neues nicht bloß an sich gezogen, son-
dern auch mit sich verbunden hatte, mußte endlich versiegen. Die Er-
gebnisse griechischer Bildung drangen, so viel sie den Einzelnen ver-
sprachen und für einige Zeit auch leisteten, auflösend in das römische
Leben ein und der Gang, in welchem der Staat durch Anwachsen sich
zugleich verjüngte, wurde unterbrochen, als Selbstsucht die lang geach-
teten Schranken durchbrach und den Kämpfen, die einer Ausgleichung
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