1855 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Kiesel, Karl
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
506 Die Römer in der Zeit der Umwälzungen und der Bürgerkriege.
süchtigen Strebens nehmen konnte, vorläufig verzichtete, wurden die Ver-
schworenen und alle Diejenigen, in deren Sinn sie gehandelt haben
mochten, um die Frucht des Tyrannenmordes, dessen sie sich rühmten,
durch den ferneren Senatsbeschluß gebracht, daß alle von Cäsar getroffe-
nen Anordnungen in Kraft bleiben sollten. Es lag nur in sofern selbst für
die Verschworenen hierin ein Vortheil, als die Provinzen, die bereits Cäsar
einigen von ihnen zugedacht hatte, auch jetzt für sie bestimmt blieben.
Darunter waren Macedonien für Brutus, Syrien für Cassius und das
cisalpinische Gallien für Brutus' Bruder Decimus Brutus. Die ver-
änderte Lage der Dinge schien auch für Pompejus' noch übrigen Sohn
Sertus Gewinn zu versprechen. Derselbe hatte in Spanien gegen
Cäsars Legaten den Krieg im Kleinen geführt und war allmälig in den
Besitz einer so bedeutenden Macht gelangt, daß weder Antonius noch
der Senat ihn übersehen zu dürfen glaubte, vielmehr der erftere ihm
die Erlaubniß zur Rückkehr nach Italien vermittelte, der letztere ihm
die Befehlshaberfchaft zur See übertrug. Doch während so von zwei
einander mißtrauenden Parteien die Blicke auf ihn geworfen wurden,
hielt er selbst sich in einer klug abwartenden Stellung und blieb vor-
läufig in Massilia. Die höchste Gewalt ruhte thatsächlich in den Hän-
den des Antonius, der Cäsars Leichenfeier benutzte, um das Volk zu
seinen Gunsten aufzuregen und eine Menge von Anordnungen, zu deren
Rechtfertigung er angeblich in Cäsars Nachlaß gefundene Urkunden vor-
brachte, ohne Widerstand durchsetzte. Während so die Republikaner und
der Senat immer mehr in den Zustand der Ohnmacht geriethen, ver-
änderte sich die Lage der Dinge durch das Auftreten eines Mannes,
den nahe Verwandtschaft mit Cäsar zuin Eingreifen in den Gang der
Ereignisse zu berufen schien. Ein Enkel von Cäsars jüngerer Schwester
Julia, Octavius, der bisher in Apollonia seiner wissenschaftlichen Aus-
bildung obgelegen, war in Cäsars Testament adoptirt und zum Erben
des größeren Theiles des Vermögens eingesetzt. Er nahm in Folge
der Adoption den Namen Cajus Julius Cäsar Octavianus an und be-
gab sich über Brundusium nach Rom, um seine Erbschaft anzutreten.
Ohne daß er eine fernere Absicht kund gab, wandten sich ihm als dem
Sohne und Erben Cäsars viele Gemüther, namentlich auch unter den
Soldaten, zu. War schon dies für Antonius gefährlich, so bildete sich
das Verhältniß noch entschiedener aus, als Octavian bei den Schwierig-
keiten, die Antonius ihm hinsichtlich seiner Erbschaft in den Weg legte,
durch den Verkauf seiner väterlichen Güter die Mittel ergänzte, um ein
Geldgeschenk, das Cäsar im Testamente für jeden Bürger bestimmt
hatte, auszuzahlen. Diese Umstände benutzte der Senat, um sich dem
Octavianus so zu nähern, daß er an ihm eine Stütze gegen Antonius
zu finden hoffen konnte. Dafür wirkte Cicero, der bei dem Sinken des