1. Bd. 1
- S. 88
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Geschichte der alten Welt.
I. Griechenland vor den Perserkriegen.
1. Pelasgische Urzeit.
tz. 52. Pelasger. Als die ältesten Einwohner Griechenlands werden
die Pelasger genannt, die wahrscheinlich über das ganze Land verbreitet
waren, wenn wir gleich nur Thessalien und Arkadien als sichere
Wohnsitze derselben kennen. Auch auf den Inseln des ägaischen Meeres so
wie in Italien (Tyrrhener) und Klein-Asien finden wir Spuren pelasgi-
scher Urbevölkerung. Sie waren ein ackerbautreibendes, friedfertiges Volk
mit einem auf Natur dienst beruhenden Religionscultus, worin die
chthonischen Götter (§. 11.), vor Allen die Erdmutter Demeter,
der Weinerzeuger Dionysos, der orakelgebende dodonaische Narurgott
Zeus und seine Gattin Dione und die geheimnißvollen Kabeiren, als
die im Innern der Natur wirkenden und befruchtenden Kräfte, göttliche
Verehrung genossen. Von der Cultur der Pelasger zeugen die Trümmer
uralter Städte und Königsburgen, die Spuren und Ueberreste von Wasser-
bauten, Dämmen, Kanälen, so wie die aus rohen Steinblöcken oder be-
hauenen Quadern ohne Mörtelverbindung aufgethürmten unverwüstlichen
Kyklopenmauern im Peloponnes u.a.o. (das Löwenthor zu Mykenä;
die Ruinen von Tiryns und Orchomenos). Als Stammverwandte der Pe-
lasger gelten die pi erisch en Thraker, die Väter der griechischen Poesie,
die Begründer des Musendienstes, der an ihre ursprünglichen Wohnsitze am
Helikon und Parnassos geknüpft ist. Ihr mythischer Stammheros war
Orpheus, Her durch die Töne seiner Stimme und Leier Menschen entzückte
und Thiere zähmte, ja sogar auf die unerbittlichen Götter der Unterwelt einen
solchen Eindruck machte, daß sie ihm gestatteten, seine verstorbene Gemahlin
Euridike aus dem Schattenreich nach der Oberwelt zu führen; mit ihm ver-
bunden erscheint der Apollosohn Linos, der Urheber des schwermüthigen
Klaggesanges, und auch der Sänger und Priester Eumolpos, der die mit
dem pelasgischen Naturcult in innigster Verbindung stehenden Mysterien
in Eleusis gegründet haben soll, und dessen Nachkommen, das attische
Adelsgeschlecht der Eum o lpid en, die Leitung dieses Geheimdienstes als
erbliches Vorrecht besaßen, gehörte den Thrakern an, die ihre poetische Be-
geisterung hauptsächlich zur Verherrlichung der Religion und des Götter-
dienstes anwendeten und in wehmüthigen Trauerliedern das Hinschwinden
der Jugend und das Absterben des Naturlebens durch Sommergluth und
Winterfrost beklagten.
Das Orakel zu Dodöna in Ep eiros galt für das älteste in Griechenland ; die dort
einheimische Eiche, deren eßbare Frucht die erste Speise der Menschen gewesen sein soll,
war dem dodonäischen Zeus geheiligt. Die Weissagung geschah nicht durch Worte sondern
durch Zeichen. „Diese wurden aus dem Rauschen des Windes in der Krone heiliger Eichen