1. Bd. 1
- S. 89
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die griechische Welt.
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und aus dem Rieseln und Plätschern einer Quelle, die an ihrem Fuße entsprang, entnom-
men."— Die Kyklopenmauern scheinen wie die ägyptischen und indischen Baudenk-
male, mit denen sie große Aehnlichkeit haben, auf einen mächtigen Priesterstand der Pelas-
ger zu deuten und manche aus einer mythischen Urzeit stammenden erblichen Rechte und
Ansprüche einzelner Geschlechter auf gewisse Priesterthümer, Acmter, technische Kenntnisse
und Beschäftigungen, — Rechte die auch noch in der geschichtlichen Zeit zum Theil sortbe-
standen, können als Spuren einer kastenähnlichen Scheidung der Stände in der pelasgi-
schen Seit, wenn auch nicht in der orientalischen Strenge, angesehen werden. Uebrigcns
erscheint Alles, was die Pelasger betrifft oder von ihnen ausgeht, „in einem ungewissen
Dämmerlichte." Sie haben unzweifelhafte Spuren ihres Daseins und ihrer Wirksamkeit
hinterlassen, aber wegen des hohen Alterthums, aus dem sie stammen, fast unkenntlich ge-
wordene und schwer zu deutende. — Die pelasgische Naturreligion dauerte später als Ge-
heimdienst in den Mysterien fort. Am berühmtesten waren die an die Sage von
Demeter und Kore (Persephone §. 11.) sich knüpfenden eleusinischenmysterien, wo-
bei das Geschlecht der Eumolpiden den Vorsitz, der König von Athen und später der
zweite Archon das Opferrecht besaßen. In der Folge wurden sie sowohl in Athen als zu
Eleusis gefeiert. An beiden Orten befanden sich uralte Demeter-T emp el, die durch
die vier Stunden lange mit Kunstwerken, Gebäuden, Denkmälern reich besetzte h eilig e
Straße, auf welcher die Jakchosp ro cessio n statt fand, in Verbindung standen. Die
kleinen E l e u s i n i e n wurden im Frühling gefeiert, die großen neuntägigen im Herbste.
Sie bestanden hauptsächlich in Reinigungen und Sühnungen, in Opfern und Processionen,
in einer nächtlichen Fackelseier und in der Weihe der Neuaufzunehmenden. Es gab ver-
schiedene Gr a d e d e r E i n w e i h u n g. Die Mysterien befaßten sich mit den tieferen Fra-
gen über das Verhältniß des Menschen zu den Göttern und besonders über den Zustand der
Seele nach dem Tode; daher lag allen ihren symbolischen Gebräuchen „eine Wechselbezie-
hung der Ideen von der segnenden Fruchtbarkeit des mütterlichen Erdbodens
und von der Fruchtbarkeit des Todes, dessen Bereich man sich in dererdtiese dachte,
so wie die Ah n u n g und Hoffnungeinerlebcnserneuerungnachdemtode"
zum Grunde. Indem also die Theilnahme an den Mysterien von einer „Reinheit und Ent-
sündigung" abhängig gemacht ward, konnten diese „als Weihe des Lebens zu höherer Sitt-
lichkeit" gelten. — Ein anderes uraltes mit den Eleusinicn verwandtes und ebenfalls der
Demeter geheiligtes Fest waren in Athen die von Ehefrauen begangenen Thesmopho-
rien (im October), „die sich auf die von der Demeter durch den Ackerbau einge-
führte Ordnung des bürgerlichen, insbesondere des ehelichen Lebens
bezogen" und wobei von Frauen (Thesmophoriazusen) Körbe mit symbolischen
Seichen getragen wurden.
tz. 53. Orientalische Kolonisation. Die Ansicht, daß die älteste
griechische Cultur aus dem Orient stamme, indem ägyptische, phönizische und
kleinasiatische Kolonisten die Keime der Bildung den rohen Bewohnern Griechen-
lands mitgetheilt hatten, ist in neuerer Zeit mächtig erschüttert und dafür die
Ursprünglichkeit und naturwüchsige Eigenthümlichkeit des griechischen Wesens
mit Eifer verfochten worden. Allein, wie wenig auch die Sagen von dem
Aegypter Kekrops, dem die Gründung der Burg (Kekropia) in Athen zuge-
schrieben ward, von dem Phönizier Kadmos, der T h eb en angelegt und die
Buchstabenschrift, so wie die Kunst das Erz zu schmelzen, nach Griechenland ge-
bracht haben soll, von der ägyptischen Niederlassung des Danaos und der Da-
naid en in Argolis und von den Schicksalen des Phrygiers Pelops, von dem
dername der Halbinsel hergeleitet wird, vor der historischen Kritik bestehen mögen,
eine Verbindung und ein früher Verkehr zwischen Griechenland und dem Morgen-
lande und ein wesentlicher Einfluß des letztem auf das Religionswesen und die