1. Bd. 1
- S. 104
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Geschichte der alten Welt.
regelmäßige Aufzeichnung der Sieger, daher in der Folge, als man um das I. 300 v. Ch.
die Zeit nach Olympiaden zu berechnen ansing, jenes Jahr als Anfangspunkt dieser Zeit-
rechnung gesetzt wurde. — Delphi bildete einen Priesterstaat ähnlich den orientalischen.
Fünf gewählte Hauptpriester leiteten den Cultus und eine Anzahl Tempelbeamten die übri-
gen Geschäfte. Der Tempel besaß ein großes, durch Zinsbauern und Sclaven bebautes Ge-
biet; Weihgcschenke und Opsergaben brachten Reichthum, und der Zudrang orakelsuchender
Fremden machte Delphi zum Mittelpunkt des Verkehrs und zu einem besuchten Markt.
Kein Wunder, daß die Priester übermüthig und schwelgerisch wurden. Der große Tem-
p e l mit dcrorakelstättc stand in einem mit einer Mauer umgebenen Hofraume, inner-
halb desselben um jenen herum m e h r e re k l ei n e T em p e l und die Schatzhäuser der einzelnen
Staaten mit den Weihgeschenken und vielen Statuen. Im Innersten des Tempels stand
die goldene Bildsäule Apollons, hinter welcher in einer kleinen Vertiefung sich die Höhle
oder der Erd sch l und befand, aus dem eine aufregende, in einen Zustand von Begeiste-
rungsetzendekalte Gasart emporstieg. — Die delphische Amphiktyonie war nur eine
umfassendere Art von Städte- oder S t a a t e n b u n d, wie deren in Griechenland mehrere
bestanden und gewöhnlich zwölf Städtegebiete umfaßte, so der ionische, ach äisch e u. a.
Ost hatte bei solchen Städtebündnissen ein mächtiges Glied die V orherrschaft (Hege-
monie) und war mit der Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten und mit der Führung
der Kriege betraut; doch war dieses Verhältniß meistens ein gewaltthätiges. Bei der del-
phischen Amphiktyonie fanden jährlich zwei Versammlungen statt, im Frühling zu D e l p h t,
im Herbste in den Thermopylen. Der wahre Zweck des Bundes ergibt sich aus dem
Eide bei Aeschines: „keine der amphiktyonischen Städte je von Grund aus zu vertilgen;
einer jemals das Wasser abzuschneiden; und das Heiligthum des Delphischen Gottes, an
welches der Bund sich knüpfte, aus allen Kräften zu beschützen."— Das delphische
Orakel stand in dem Rufe der B e st e ch l i ch k e i t.
tz. 65. Die ältesten Staatsformen in Griechenland. Anfangs
regierten in allen griechischen Staaten Könige, die als Oberpriester, Richterund
Heerführer eine patriarchalische Gewalt besaßen und ihren Ursprung wie ihre Macht
von den Göttern herleiteten, daher dieselbe auch eine durch Recht und Sitte bestimmte
Begranzung hatte. „Wie der Götterfürst Zeus selbst dem Rathe des Schicksals,
so sind auch die Könige bei Homer der Idee des Rechten unterthan, die bei den
Göttern wohnt, deren Kenntniß sich aber ihrer Verwandtschaft mit dieser zufolge
auf sie vererbt hat." Obwohl das Königthum erb lich war, galten doch ge-
wisse Vorzüge, als persönliche Kraft, Weisheit, stattliche Gestalt für nothwen-
dige Eigenschaften der Fürsten, „der Trefflichsten im Volke". Ihr Einkommen
bestand in Ehrengeschenken und im Ertrag eines ihnen zustehenden öffentlichen
Grundstücks, ihre Macht in ihrem größern Werth und Ansehen und in der ihnen
gezollten Verehrung. Sie standen an der Spitze der edlen Geschlechter, die
ihren Rath bildeten und gleich denkönigen sowohl durch Geburt und Reichthum,
als auch durch Kriegsmuth und ritterliche Waffenübungen ausgezeichnet waren.
Als sich mit der Zeit dieses auf Ehrfurcht und Pietät gegründete Verhältnis zwi-
schen dem König und den Adelsgeschlechtern lockerte, suchte der bevorrechtete Her-
renstand die Fürstengewalt immer mehr zu schwachen und seine eigene Macht auf
Kosten der königlichen zu mehren, bis er so sehr erstarkt war, daß er zur gänz-
lichen Beseitigung des Königthums und zur Begründung einer republikani-
schen Aristokratenherrschaft schreiten konnte. Nunmehr traten die fürst-
lichen Geschlechter, denen diekönige angehört hatten, in einereihe mitdem
Kriegsadel und dem Priesteradel, wenn sie gleich noch einigezeit ein höhe-
res Ansehen behaupteten (wie diekodriden und Alkmaoniden in Athen,
die B akch iaden in Korinth u. a.). Nur die Priesterwürde blieb noch langer