1. Bd. 1
- S. 161
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die griechische Welt
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aber dennoch in seiner Tonne, die ihm zur Wohnung diente, die Bewunderung
des großen Alexander erregte. Ihre Schule, zu der auch Kr ates gehörte, nannte
man die k y n i sch e von dem Gymnasium K y n o sa r g e s, wo Antifthenes lehrte;
mit Anspielung darauf belegte man den Diogenes häufig mit dem Namen Kyon
(Hund), weil das arme, genußlose Leben, das er führte, mehr für einen Hund,
als für einen Menschen zu passen schien. Bisweilen war freilich der Philosophen-
mantel des Kynikers nur Maske der Gemeinheit und Eitelkeit, aber öfters wohnte
auch unter der schmutzigen Hülle eine große Seele. Wie die kyrenaische
Schule diemutter der epikureischen wurde, so die kynische die Mutter der
stoischen (§. 134). Ein dritter Schüler von Sokrates war Eukleides von
Megara, der Stifter der mega rischen Schule. Als die Athener jeden Me-
garaer, der sich in ihrer Stadt treffen lasten würde, mit dem Tode bedrohten,
schlich sich zur Nachtszeit Eukleides, in Frauenkleider gehüllt, in das Haus des
Sokrates, um des Unterrichts dieses Weisen theilhaftig zu werden, und kehrte
dann des Morgens wieder zurück. Eukleides verband die ethische Philoso-
ph ie des Sokrates mit der form alen der Eleaten; er lehrte, es gäbe nur
Ein Gutes, das wirklich und unveränderlich sei und des Menschen Glückselig-
keit begründe; der Weg zu dessen Erlangung sei ein tugendhaftes auf kräftiger
Werkthätigkeit, vernünftiger Einsicht und sittlicher Stärke beruhendes Leben. Da
er aber die sokratische Dialektik mit dem eleatischen Skepticismus
(Zweifachstem) verband, so legte er den Grund zu jenen Spitzfindigkeiten und
Trugschlüssen, wodurch die megarische Philosophenschule nicht minder als die
sophistische verrufen war.
Geschichtschreibung. Herodot. Thukyd des. Xenophon.
§. 101. Um diese Zeit hatte die griechische Geschichtschreibung ihre höchste
Blüthe. Der erste, der an die Stelle der bisherigen Ge schichten sch reib ung
(L o g o g r ap h i e) die wahre Geschichtschreibung (Historie) setzte, und
daher der Vater der Geschichte genannt wird, war Herodot aus der dori- Herodot
scheu Stadt Halikarnaß. Nach dem Untergange der Freiheit seiner Vater- 4 ~ '
stadt lebte er eine Zeitlang auf Samos und machte dann große Reisen nach dem
Wunderlande Aegypten, nach Kleinasien und Persien, nach Griechenland und in
die Donauländer, wo er aus eigenen Anschauungen und mündlichen Erzählungen
den Stoff zu seiner in neun Bücher getheilten und den neun Musen geweihten
Geschichte sammelte. Sein Alter verlebte er zu Thurii in Unteritalien, wohin
er mit einer Kolonie gezogen war. Herodot beschrieb im ionischen Dialekte ^4.
(welcher damals allein für geschichtliche Darstellung in Prosa gebräuchlich war)
und in treuherziger, redseliger Sprache die Kämpfe der Griechen mit den Persern,
schaltete aber dabei gelegentlich auch die ältere Geschichte der orientalischen und
griechischen Völker ein, wobei freilich manches Fabelhafte, das er den Erzählun-
gen der Priester nachschrieb, mit unterlief. Der Zweck seines mit großer Herzlich-
keit und Einfalt für das Volk geschriebenen Werks ist, zu zeigen, wie die Frei-
heitsliebe, die verständige Ordnung, die Verstandesklarheit und die Genügsamkeit
der Hellenen über den Knechtssinn, die ungeordnete Masse und den leeren Pomp
des Orients den Sieg davon trug. Das reine Gemüth und die treuherzige Ge-
sinnung des Verfassers, die aus der ganzen Darstellung hervorleuchten, geben dem
Werke ein edles Gepräge und eine höhere Weihe. Ueberall begegnet man der reli-
giösen Idee, daß die Geschichte nur das Ergebniß einer moralischen Weltordnung
sei und daß die Gottheit dem Schwachen und Demüthigen Stärke verleihe, den
Weber, Geschichte. I. 6. Aust. 11