1. Bd. 1
- S. 163
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die griechische Welt.
Tiefe der Gedanken und an historischer Treue weit hinter Thukydides zurück.
Obgleich ein Athener, ist Mnophcm ein Verehrer und Lobredner der Spartaner,
besonders ihres Königs Agesilaos, den er auf seinem Feldzuge gegen die Perser
begleitete und dessen Leben er auch beschrieben hat. Darum sind seine hellenischen
Geschichten mit bewußter Parteilichkeit verfaßt und namentlich die großen The-
baner Pelopidas und Ep amein ondas ganz in Schatten gestellt. Seine
Geschichte schließt mit der Schlacht von Mantineia (362). Tenophon schrieb auch
eine Bildungsgeschichte des altern Kyros (Kyropadie), eine Art poli-
tisch-philosophischen Romans, worin er den Stifter des persischen Reichs als das
Ideal eines nach Sokratischenbegriffengebildetenherrschers darstellt und dievor-
züge einer weise geleiteten Monarchie, worin Ordnung und Ruhe herrschen und
die Unterthanen ein behagliches Leben führen, der stürmischen republikanischen
Verfassung seiner Landsleute entgegenhalt. Von Athen verbannt brachte Tenophon
seine letzten Lebensjahre im Peloponnes aufeinem ihm von den Spartanern zuge-
wiesenen Landgute zu. — Von der Geschichte Persiens, die der am per-
sischen Hof weilende griechische Arzt Ktesias von Knidos, ein Zeitgenosse Teno-
phons, verfaßte, besitzen wir nur Fragmente und Auszüge; ebenso von dem
Syrakusaner P h i list os, der in seiner Geschichte von Sicilien denthuky- dmstos
dides zum Vorbild nahm.
1. Fenophon. Ist Thukydides ausgezeichnet durch sein „Hinstrcben zum Erhabenen,"
so ist das innerste Wesen des Xenophontischen Geistes „eine durchgängige Harmonie."
„Xcnophon ist keine von den Naturen, die durch ungewöhnliche Intensión derselben, durch
das Unbeschränkte ihrer Richtung verbunden mit einer unbegränzten Fülle des Gemüths
merkwürdig werden: sondern seine Eigenthümlichkeit ist das Maß selbst. Diese zeigt sich
in seiner Lebensweise durch jene Diät oder jene sorgfältige Wachsamkeit über das richtige
Verhältnis zwischen Körper und Geist, die er uns selbst beschreibt, deren Frucht eine herr-
schende Gesundheit des inneren und äußeren Menschen ist. Jene Besonnenheit bringt ihn
dem Ziele alles seines Strebens, der schönen Vollendung (Kalokagathie) sehr nahe, wenn
ihn nicht wieder eine von solchen Naturen unzertrennliche Nüchternheit und Magerkeit des
Geistes davon entfernte. Diese letzteren Mängel erscheinen oft als eine zu große Bestimm-
barkeit durch fremde Einflüsse, und als beschränkte Ansicht der Welt. — Jene innere Maß-
gebung und Nüchternheit machte ihn zugleich der spartanischen Denkart vorzüglich geneigt,
und er schloß sich gern an Agesilaos an, der in seinem Leben ein Bild strenger dorischer
Sitte ausstellte." Als Vorzüge der Xenophontischcn Geschichtschreibung wurden schon im
Alterthum gerühmt: 1) Eine große Natürlichkeit, Unschuld und Einfalt in Ansicht und
Darstellung, Eigenschaften, die durch den Einfluß der Sokratischen Lehre fester begründet
wurden. 2) Anmuth und ungeschminkte Lieblichkeit des Styls und der Sprache; 3) ein
kindlicher frommer Sinn, der allenthalben das Eingreifen der Gottheit in die menschlichen
Schicksale als letzte Ursache der Handlungen aufstellt.
2. Ktesias. Da Ktesias als Leibarzt des Königs Artaxerxes, dem er in der Schlacht
von Kunaxa (§. 102.) zur Seite gestanden, aus orientalischen Quellen geschöpft hat, die
den griechischen Historikern unzugänglich waren, so wich seine Darstellung in vielen Din-
gen von der der übrigen ab; und da er sich aus Mangel an vaterländischer Gesinnung ebenso
entschieden auf den persischen Standpunkt stellte, als Hcrodot auf den griechischen, so zog
er sich die Mißachtung seiner Landsleute und den Vorwurf der Unwahrhaftigkeit und Par-
teilichkeit zu. Sein aus 23 Büchern bestehendes Werk behandelte die Geschichte des assy-
rischen, meoischen und persischen Reiches bis zu seiner Rückkehr in sein Vaterland, im I.
399. Sein Hauptzweck war, die vielen Jrrthümer und Vorurtheile, welche die Griechen
theils aus Unkunde, theils aus Nationaleitelkeit über Persien hegten, zu widerlegen und zu
beseitigen. — Noch reicher an unzuverlässigen Nachrichten und Fabeln als die persische Ge-
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