1. Bd. 1
- S. 220
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
220 Geschichte der alten Welt.
Verderben." Sie kam mit Lucius überein, daß er seine Gattin und sie ihren Gatten ermor-
deten und dann Beide ein Ehebündniß schlossen. „Ohne auch nur den Schein der Trauer
entzündeten sie ihre Hochzeitfackel an dem Scheiterhaufen." Hierauf trat Lucius, von sei-
nem ehrgeizigen Weibe angetricben, mit einer Partei unzufriedener Patrizier in Verbin-
dung und bildete eine Verschwörung zum Sturz des edeln Königs Servius. Zur Ernte-
zeit, als ein großer Theil des Volkes aus dem Lande war, erschien Tarquinius im Senat
mit den königlichen Insignien geschmückt und umgeben von einem bewaffneten Anhang.
„Auf das Gerücht von diesen Bewegungen eilte der König unerschrocken in die Curie. In
der Thüre stehend schalt er Tarquinius einen Empörer: dieser ergriff den schwachen Greis
und stürzte ihn die steinernen Stufen hinab. Blutend und gelähmt ward Servius von
Getreuen emporgehoben und weggeführt, aber ehe er in seine Wohnung gelangte, erreichten
und ermordeten ihn Diener des Tyrannen: die Leiche ließen sie im Blute liegen. — In-
zwischen hatte Tullia die Botschaft vom Erfolg nicht erwarten können. Sie fuhr mitten
durch den Tumult zur Curie und begrüßte ihren Gemahl als König: ihm selbst war ihr
Frohlocken gräßlich; er hieß sie umkehren. In einer Gasse, die von der Zeit an den Namen
der verruchten trug, lag die Leiche ihres Vaters vor ihr. Diemaulthiere wichen zurück,
der Knecht hielt die Zügel an, sie gebot ihm, das Gespann über den Todten Hinzutreiben.
Blut besprüzte den Wagen und ihr Gewand." Servius Name lebte im Andenken des
Volkes fort.
§. 143. Obgleich nun Tarquinius die durch die Verfassung des Servius den
Plebejern gewahrten Rechte wieder verkürzte, durch glückliche Kriege mit den
Latinern und Volskern die Grenzen des Staats erweiterte und durch
Bauten (Capitolium) und nützliche Anlagen die Stadt verschönerte*), so
wurde doch auch er bald den Patriziern verhaßt, als sein Streben dahin
ging, mit Hülfe des Heers die königliche Macht zu erhöhen und sein be-
schranktes Wahlkönigthum in ein unbeschranktes (souveränes) Erbreich zu
verwandeln. Seine Gewaltthatigkeiten gegen den Senat und die Patrizier,
verbunden mit den drückenden Steuern und Frohndienften, womit er die
Plebejer heimsuchte, erzeugten allgemeine Unzufriedenheit, welche zuletzt in
offene Empörung überging., als die lüsterne Frevelthat, die einer der Söhne
des Königs, S ex tus Tarquinius, an der tugendhaften Lucrezia beging,
diese zum Selbstmord zwang und das Volk zur Rache gegen das verbreche-
rische Geschlecht entflammte. Zwei Verwandte des Königshauses, L. Tar-
q uinius Collatmus, der Gemahl der edeln Lucrezia, und sein bisher für-
blödsinnig gehaltener und darum Brutus (Tölpel) genannter Freund Lucius
Iunius, schwuren über der Leiche der Gemordeten den Bund derblutrache
und riefen in Collatia und Rom die Bevölkerung zur Freiheit und zur Ver-
tilgung der tyrannischen Herrschermacht auf. Auf die Nachricht davon eilte
der König von Ardea, der festen Felsenstadt der Rutuler, die er gerade um-
lagert hielt, mit seinem Heer nach Rom, um den Aufstand niederzuschlagen;
aber er fand die Thore verschlossen und mußte, als ein Beschluß der Volks-
versammlung ihn der Königswürde entsetzte und selbst die Armee von ihm
absiel, mit seinen Söhnen in die Verbannung ziehen.
Den Sturz des Tyrannen und die Vertreibung des Königsgcschlechtes hat die Sage
gleichfalls romantisch ausgeschmückt. Tarquinius wurde von bösen Träumen und Unheil