1. Bd. 1
- S. 226
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Geschichte der alten Welt.
hindern. Das dem Tarquin zugehörende große Feldstück an der Tiber wurde dem Mars
geweiht und Mars selb (Oampus Martin) genannt. Es blieb unangebaut und diente
zu Waffenübungen und Volksversammlungen, besonders als Wahlftätte.
§. 146. Während der Befreiungskämpfe hatten die Plebejer den Pa-
triziern kräftigen Beistand geleistet und dafür durch den Cónsul Valerius
(Poplicola, Volksfreund) einige günstige Gesetze erlangt. Kaum waren
die Patrizier aber durch den in Cumä erfolgten Tod Tarquins von der Furcht
vor einer Rückkehr der Königsfamilie befreit, so achteten sie diese Bestimmun-
gen nicht und übten rücksichtslos ihre Gerechtsame. Dazu gehörten vor Allem
die strengen Schuldgesetze. Die Plebejer waren als freie Eigenthümer,
wenngleich ohne Bürgerrecht (wie Freisassen oder Schutzbürger), zur Zah-
lung der Grundsteuer und zum Kriegsdienst (Heerbann) ohne Sold und mit
Stellung der Waffen und Rüstung verpflichtet. Standen sie nun im Felde,
so wurde daheim ihr durch die Abtretungen an Porsenna geschmälertes Acker-
land schlecht bestellt; Mißernten erzeugten Verarmung, und um der augen-
blicklichen Noth zu entgehen, machten sie bei den Patriziern Schulden.
Wenn nun der Plebejer den hohen Zins (10—12 Prozent) nicht zur Stunde
bezahlte, so wurde er mit Leib und Gut Eigenthum des Gläubigers und
mußte als dessen Knecht arbeiten, während seine Familie darbte. Die Patri-
zier, die im Alleinbesitz des Gemeinlandes waren (§. 149.), ihre Güter
von Clienten, die nicht in den Krieg zogen, bebauen ließen, von der Ver-
mögenssteuer befreit waren, und die Kriegsbeute für sich behielten,
blieben vor den Unfällen, welche die Verarmung der Plebejer herbeiführten,
bewahrt. Als dieser Zustand zu drückend wurde und kein Gesetz den unglück-
lichen Schuldner gegen den harten Gläubiger schützte, da verweigerten etwa
18,000 bewaffnete, zum Heerbann aufgebotene Plebejer den Gehorsam, be-
494. setzten den 1v2 Stunden von Rom entfernten heiligen Berg am Ufer des
Anio, in der Absicht, eine neue Stadt zu gründen, und kehrten erst zurück,
als ihnen der Abgesandte, Menenius Agrippa, durch die Fabel von den
mit dem Magen hadernden Gliedern die Nachtheile eines solchen Zwistes ans
Herz gelegt und ihnen Abstellung ihrer Beschwerden verheißen hatte. Sie
erhielten Volkstribunen (Schirmvögte), anfangs fünf, zuletzt zehn, die als
heilige und unverletzliche Beschützer ihrer Standesgenossen gegen alle den
Plebejern schädliche Senatsbeschlüsse und Consulsprüche Einsprache (Veto)
thun durften, und wenn dies nicht fruchtete, die Steuererhebung und den
Heerbann hindern konnten. Zwei Gehülfen (Ae di len), welche die Markt-
polizei übten und die Aufsicht über öffentliche Gebäude, Magazine u. dgl. m.
führten, sollten Wucher und Uebertheuerung verhüten.
Verschiedene Umstände kamen zusammen, um die Auswanderung nach dem heil. Berg
herbeizusühren. Unter dem Consulat des Appius Claudius, der wie der ganze
Stamm der Claudier, durch volksseindliche Gesinnung, durch Trotz und Hochmuth allge-
mein verhaßt war, entzündete sich der gehäufte Brandstoff. „Ein Alter, aus dem Schuld-
kerker entsprungen, in schmutzigen Lumpen, bleich und abgehungert, mit verwildertem