1. Bd. 1
- S. 230
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Geschichte der alten Welt.
die Plebejer, die nur kleine Freigüter besaßen, Ackergesetze (leges agrarias),
durch die ihnen ein Theil des Gemeinlandes als Eigenthum oder zur Nutz-
nießung überlassen werden sollte. Aber so oft dieses Ansuchen gestellt ward,
traf es auf den entschiedensten Widerstand. Die Hinrichtung des Consuls
486. Sp. Ca ssi u s, der das erste Ackergesetz beantragt und durchgesetzt hatte, daß
ein den Hernikern entrissener Landstrich theils den Patriziern zum Erb-
pacht, theils den Plebejern als Eigenthum angewiesen wurde, war
für alle ähnliche Bestrebungen ein warnendes Vorbild. Nach Ablauf seines
Consulatjahrs wurde er von seinen erzürnten Standesgenossen deshoch-
v e r r a t h s angeklagt und fluchbeladen über dentarpejischenfelsen
des Capitoliums hinuntergestürzt. Die Stelle, wo des Vermessenen Haus
gestanden, blieb eine öde Statte; und als einige Jahre nachher ein Volks-
tribun (Genucius) die Consuln wegen mangelhafter Ausführung des cassi-
schen Gesetzes mit einer Klage bedrohte, fand man ihn vor dem Gerichtstage
in seinem Hause ermordet.
§. 150. 2. Die Decemvirn. So lange die Rechtspflege auf der
Kenntniß des ungeschriebenen Gewohnheitsrechtes und des Herkommens be-
ruhte, war sie ausschließlich in den Händen der Patrizier, die sie nach Gut-
dünken und nicht selten mit Willkür und Parteilichkeit vollzogen. Um nun
dieser Willkür nicht langer ausgesetzt zu sein und Einsicht in den Rechtsgang
zu gewinnen, verlangten die Plebejer feste, ausgezeichnete Gesetze, fanden
aber bei den Patriziern, die darin eine Minderung ihrer Standesrechte er-
blickten, lange heftigen Widerstand. Die Spaltung und der Parteihaß der
beiden Stände erreichte über diesem Kampf den höchsten Grad. Das Ge-
473. setz des Publilius Bolero, daß die Wahl der plebejischen Beamten
(Volkstribunen und Aedilen), die bisher in den Centuriat-Comitien ftattge-
funden, fortan blos von den Plebejergemeinden in den Tribus-Comitien
vorgenommen werden solle, trennte das römische Volk in zwei feindliche Heer-
lager, was, verbunden mit einer Seuche, die um dieselbe Zeit unter allen Stän-
den eine schreckliche „Todesernte" hielt, den Staat so sehr schwächte, daß die
Aequer und Volsker ungehindert bis vor die Mauern der Stadt streiften,
und ein sabinischer Abenteurer (Herdonius) mit einer Schaar von Sclaven
und Flüchtlingen das Capitolium besetzte und nur mit Mühe daraus vertrie-
den werden konnte. Als aber die seit 457 auf zehn vermehrten Volkstri-
462. bunen immer wieder den (ursprünglich von Terentillus Arsa gestellten)
Antrag auf Ernennung einer Commission zur Abfassung von Gesetzesurkun-
den vorbrachten, sich der Steuererhebung und dem Heerbann widersetzten
und mit vereinten Kräften nur nach Einem Ziel strebten, da setzten es die
Plebejer endlich durch, daß Gesandte nach Großgriechenland und Athen ge-
schickt wurden, um die dortige Gesetzgebung zu prüfen und das Passende aus-
zuwählen. Nach ihrer Rückkehr kamen beide Stände überein, daß alle Be-
amten (Consuln, Volkstribunen u. a.) ihre Stellen niederlegen und zehn