1. Bd. 1
- S. 255
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Das Römerreich.
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50,000 Einwohner, welche das Schwert verschont, wurden von dem Sieger,
der fortan den Beinamen des jünger« Afrikaners führte, in Sclaverei ge-
schleppt. Das Gebiet vonkarthago ward in die römische Provinz Africa
umgewandlt und der Wiederaufbau der Stadt mit einem Fluche verpönt.
g) Cultur und Literatur.
§. 177. Die Bekanntschaft der Römer mit Griechenland war für Geschmack
und Literatur wie für Sitten und Lebensweise höchst folgenreich. Die aus den
eroberten Städten weggeführten Schatze hellenischer Kunst und die herrlichen Er-
zeugnisse des griechischen Geistes in der Literatur erschlossen dem edlern und em-
pfänglicher» Theil der Nation eine neue Welt und weckten ungeahnte Gefühle.
Eine mächtige Partei, die hochherzigen Scipionen, Marcellus, Flami-
nin us u. a. an der Spitze, begünstigte hellenische Weisheit, Poesie und Kunst,
hegte und unterstützte griechische Gelehrte, Dichterund Philosophen und suchte mit
den Kunstschätzen auch Geist und Sprache des besiegten Volks nach Rom zu ver-
pflanzen. Unter dem Schutze der Scipionen dichteten römische Poeten nach grie-
chischen Vorbildern. Plautus, ein armer Umbrier, entlehnte Stoff und Form
seiner an Witz und Menschenkenntniß reichen Komödien den griechischen Komi-
kern der jüngern Schule, wobei er als achter Volksdichter heitere Laune und
derbe Spaße mit künstlerischer Anlage und edler Darstellung zu verbinden weiß
und dadurch der Menge wie den Gebildeten gefallt; der feinere, kunstmäßige, aber
weniger originelle Terentius (ursprünglich ein Sclave aus Karthago), dessen
heitere Dramen dem Hauptdichter der neuern Komödie, dem Athener Me- fisl!
nand er (§§. 89. 133.) nachgebildet sind, soll bei seinen Arbeiten von dem jün-
gern S c i p i o und dessen Freund L ä l i u s unterstützt worden sein; und der Dichter
Ennins wählte die Thaten der Scipionen zum Stoff seiner epischen in
Hexametern verfaßten, aber bis auf wenige Fragmente verlornen Gedichte. Auch
Caj. Lucilius, der neben seinen berühmten Sa tiren, worin er die leicht-
fertigen Sitten und die griechische Nachäfferei (Gräkomanie) der vornehmen Rö-
mer geißelte, die Scipionen in einem Heldengedicht verherrlichte, war ein
Freund des jüngern Scipio. — Uebrigens konnte bei dem, ganz dem Prakti-
schen, dem Kriegswesen, der Staatsverwaltung und der Rechts-
pflege zugewandten Sinn der Römer, der die Ausbildung des inner» Menschen
vernachlässigte, die geistige Bildung nie zu solcher Höhe gelangen, als bei den
Griechen, und für die sinnliche Schaulust des Volks, das sich an den Fechterfpielen,
Thierkämpfen und an dem altitalischen satirischen Mimenspiel (Atellanen) voll
volksthümlicher Scherze und derber Witze ergötzte, war das griechische Drama viel
zu hoch und fein. Daher drang bei den Römern weder die Tragödie noch die
Komödie in das Volks- und Nationalleben ein, sondern erfreute sich nur des Bei-
falls und Geschmacks einiger gebildeten Familien. Auch bot die ganz auf aber-
gläubische Gebräuche, Wahrsagerei und Wunderglauben gegründete römische
S ta a ts re l i g i o n nicht wie bei den Griechen Anhalt und Stoff für poetische
und künstlerische Erzeugnisse. Selbst ihre kriegerischen Großthaten mußten die
Römer anfangs den Griechen zur Beschreibung überlassen, unter denen P o l y b i o s, .
des jüngern Scipio Freund und Waffengefährte, durch seine pragmatische203)' 121'.
Weltgeschichte zur Zeit der punischen Kriege vor Allen hervorragt.
Als erster dramatischer Dichter sowohl in ernster (tragischer) als in heiterer
(komischer) Form wird Livius Andronicus genannt, ein tarcntinischer Grieche, der
nach Eroberung seiner Vaterstadt als kriegsgefangener Sclave in das Haus des Livius