1. Bd. 1
- S. 307
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Das Römerreich.
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Ehre, Reichthum und Gefolge hervorragenden Geschlechtern ihre Heerführer
(Herzoge), die dem aus Allodbesitzern und ihren Leuten bestehenden Heerbann
voranzogen, ihre Gaurichter (Graven, Aelteste) und ihre Priester; und
von ihnen gingen die kurzen, mündlich oder durch Runenschrift fortgepflanzten
und aus dem Gewohnheitsrecht beruhenden Gesetze aus, welche bei den Gericht-
oder Malstatten in Anwendung kamen. Buße an Geld oder Gut (Wahrgeld)
war die gewöhnliche Strafe für Freie. Liten hingegen und Sclaven büßten mit
Verstümmelung oder mit grausamem Tode. Mord wurde ursprünglich durch die
Blutrache der Verwandten gerächt; bald aber trat auch an die Stelle der Blut-
rache das Wahrgeld, und es hing nicht mehr wie vorher von dem Belieben der
beleidigten Familie ab, ob sie sich durch Geld versöhnen lasten und wie viel sie
fordern wollte, sondern es bildete sich das allgemeine Gesetz aus, daß der Freie
durch eine Vermögensbuße vor der Rache der Beleidigten sich sichern könne, und
die Größe dieser Geldstrafen war genau vorgeschrieben. Sogar Verbrechen gegen
den Staat wurden in der Regel durch Wahrgeld gebüßt, nur der Heerführer
mußte nach verlorner Schlacht mit dem Tode büßen. In zweifelhaften Fallen
trat bei Freien der gerichtliche Zweikampf ein; bei Liten und Schalken die Probe
des siedenden Masters. Es gab demnach für einen Freien keine Leibes- und To-
desstrafe, wenn er im Stande war, das festgesetzte Wahrgeld zu zahlen, und „er
brauchte nur seinen Vermögenszustand zu befragen, um zu wissen, welche Gewalt-
thaten er ohne erhebliche Folgen gegen einen Andern sich erlauben dürfte." •— Um
einzelne Kriegshelden schaarten sich Gefolgschaften, die mit jenen ins Feld
zogen und an der Beute Antheil erhielten. Solche Waffenbrüderschaften,
woraus der in der Völkerwanderung so wichtige Waffenadel hervorging, gal-
ten für die innigste Vereinigung.
Von den Sitten und Gebräuchen der Germanen macht Tacitus folgende Schil-
derungen: Ich selbst trete der Meinung derjenigen bei, welche dafür halten, daß Germa-
niens Völkerschaften, nicht durch Verehelichung mit fremden Stämmen entartet, als eigen-
thümliches, unvcrmischtes, nur sich selbst ähnliches Volk bestanden haben: daher auch, trotz
der großen Menschenmenge, bei Allen derselbe Körperbau; feurige, blaue Augen, rdthliches
Haar, große Leiber, doch nur zum Anstürmen tüchtig, in Arbeit und Mühsal weniger aus-
dauernd, ganz unfähig , Durst und Hitze zu ertragen, an Kälte und Hunger durch Himmel
und Boden gewöhnt. — Im Innern wird nach einfacher, alterthümlicher Weise Tausch-
handel getrieben. Sie lieben altes, längst bekanntes Geld, auch ist Silber gesuchter als
Gold, nicht aus Vorliebe, sondern weil die größere Menge des Silbergeldes bequemer ist
zum mannichfachen Kleinhandel. Selbst Eisen ist nicht im Ueberflusse vorhanden, wie
aus der Art ihrer Waffen erhellt. Selten bedienen sie sich der Schwerter oder größerer
Lanzen. Sie führen Spieße, oder nach ihrer Benennung Framen, mit schmaler und kurzer
Eisenspitze, aber so scharf und zum Gebrauche bequem , daß sie mit demselben Werkzeuge
nach Erforderniß von nahe und von ferne kämpfen. Der Reiter wenigstens behilft sich
mit Schild und Frame. Das Fußvolk schleudert auch Pfeile, Jeder mehrere und ungeheuer
weit. Sie streiten nackt oder in leichtem Kriegsmantel. Ihr Anzug ist ohne Prunk; nur
die Schilde sind mit auserlesenen Farben bemalt; Wenige sind mit Panzer, nur hier und
da Einer mit Helm oder Sturmhaube versehen. Die Pferde zeichnen sich weder durch
Schönheit noch durch Schnelligkeit aus; aber sie werden auch nicht, wie die unsrigen, zu
allerlei Wendungen abgerichtet. Sie reiten gerade aus, oder mit zusammenhängender
Schwenkung zur Rechten, in so geschlossenem Umschwünge, daß Keiner zurückbleibt. Im
Ganzen besteht ihre Hauprstärke im Fußvolk; deshalb streiten sie in gemischten Haufen, wo
die Schnelligkeit der Fußgänger sich dem Reiterkampse trefflich anfügt, indem man dieaus-
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