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1. Bd. 1 - S. 309

1854 - Leipzig : Engelmann
Das Römerreich. 309 ergeben. Die Tapfersten und Streitbarsten treiben Nichts: Die Sorge für Haus und Heerd und Feld bleibt den Frauen, den Greisen und den Unvermögendsten derfamilie über- lasten; jene brüten hin. Seltsamer Widerspruch der Natur, daß dieselben Menschen so sehr den Müßiggang lieben und die Ruhe hassen. — Die allgemeine Tracht ist ein Rock, mit einer Spange oder in deren Ermangelung mit einem Dorn zugemacht; im Uebrigen unbe- deckt liegen sie ganze Tage am Heerd und am Feuer. Die Reichsten zeichnet eigene Klei- dung aus, nicht wallend, sondern enge und jedes Glied ausdrückend. Sie tragen auch Lhierfelle; die Nächsten am Rheinufer ohne Wahl, die Entfernteren auserlesene, da kein Handel ihnen andern Schmuck liefert. Sie suchen Thiere aus und besetzen die abgezogenen Felle mit geflocktem Pelzwerk, das der äußerste "Ozean hervorbringt. Die weibliche Tracht ist von der männlichen nicht unterschieden, nur daß die Weiber sich häufiger in leinene Ge- wänder hüllen, die sie mit Purpurstreifen zieren; die Kleidung läuft oben nicht in Acrmel aus, so daß Schultern und Arme nackt sind; auch die Brust ist von Oben unverhüllt. — Gleichwohl ist dort das Ehebündniß strenge, und in keinem Punkt sind ihre Sitten lobens- würdiger. Denn sie sind fast die einzigen Ausländer, die sich mit Einem Weibe begnügen, sehr Wenige ausgenommen, die Standes halber zu mehrern Eheverbindungen angegangen werden. Die Ausstattung bringt nicht das Weib dem Manne, sondern der Mann dem Weibe zu. Eltern undverwandte sind zugegen, die Geschenke zu mustern; Geschenke, nicht ausgesucht zu weiblicher Tändelei, noch zum Ausputze der Neuvermählten; Rinder vielmehr und ein aufgezäumtes Roß, ein Schild sammt Frame und Schlachtschwert. Damit nicht die Gattin von Gesinnungen des Heldenmuthes und den Schicksalen des Kriegs sich losgczählt wähne, so ermahnt sie die Eintrittsfeier des beginnenden Ehestandes selbst, sie komme als Genossin der Arbeiten und Gefahren, um Gleiches im Frieden, Gleiches im Kriege zu tragen und zu wagen: Dies kündigen das Rindergespann, dies das ausgerüstete Roß, dies die dar- gebrachtcn Waffen an. — So leben sie, unter der Obhut reiner Sitten, nicht durch verführe- rische Schauspiele, noch durch wollustreizende Gastmäler verdorben. Dort lacht Niemand des Lasters; Verführen und verführt werden heißt nicht Zeitgeist, und mehr gelten dort gute Sit- ten als anderswo gute Gesetze. — Sowohl die Feindschaften des Vaters oder des Anver- wandten, als seine Freundschaften zu übernehmen, ist Pflicht; sie dauern aber nicht unversöhn- lich fort. Bewirthung und Gastrccht übt kein anderes Volk so freigebig aus. Irgend einen Menschen vom Hause abwcisen, wird für sündlich gehalten; Jeder bewirthet den Gast nach Vermögen mit reichlichcrkost. Gebricht der Vorrath, so gehn sie, der bisherige Gastwirth, nun Wegweiser, und sein Gefährte, ungeladen ins nächste Haus ; dies thut jedoch Nichts ; man nimmt sie mit gleicher Freundlichkeit auf. — Gleich nach dem Schlafe, den sie meistens in den Tag hinein dehnen, baden sie; gebadet, speisen sie. Dann gehen sie an die Geschäfte, nicht selten auch zu Trinkgelagen, in Waffen. Tag und Nacht ununterbrochen fortzuzechen, ist Keinem Schande. Häufig entstehen, als unter Betrunkenen, Zänkereien, die selten mit Schmachworten, öfter mit Wunden und Todtschlag endigen. Aber auch wechselseitige Aus- söhnung von Feinden, Abschlicßung von Eheverbindungen, Wahl der Häupter und endlich Frieden und Krieg wird meistens beim Gastmahl verhandelt, als ob zu keiner Zeit für auf- richtige Gedanken offener die Seele oder für große feuriger sei. Dieses Volk, ohne List und Trug, öffnet noch das Innere der Brust bei zwangloser Fröhlichkeit. Hat nun Jeder ohne Rückhalt seine Meinung dargelcgt, so wird dieselbe des folgenden Tages neuerdings vorge- nommen, und jedem Zeitpunkte widerfährt sein Recht. Sie rathschlagen, wo keine Ver- stellung, und beschließen, wo keine Bethörung stattsindet. — Das Würfelspiel treiben sie, sonderbar genug, nüchtern als ernsthaftes Geschäft, mit solcher Tollkühnheit bei Gewinn oder Verlust, daß sie, wenn Alles hin ist, auf den äußersten und letzten Wurf Person und Freiheit setzen. Der Verlierende begiebt sich freiwillig in die Knechtschaft; wenn auch jün- ger, wenn auch stärker, läßt er sich binden und verkaufen. So weit geht in schlimmer Sache die Hartnäckigkeit, ihnen heißt es Biedersinn. Sklaven dieser Art verhandeln sie, um
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