1. Bd. 1
- S. 316
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Geschichte der eilten Welt.
(Sit.
glatt.)
V e s pa-
stan u s
70-79.
Anhänglichkeit an Vitellins durch gänzliche Verwüstung büßte. Alsvespasia-
nus gegen die Hauptstadt zog, entsagte Vitellins unter Thränen dem Thron
und erklärte sich bereit, in das Privatleben zurückzutreten. Aber seine Anhän-
ger und die in Rom anwesenden Truppen widersetzten sich der Abdankung
und bekriegten den Bruder des neuerwahlten Kaisers, Sabinus, der sich
in das Capitolium geworfen hatte, mit solchem Ungestüm, daß der herrliche
Tempel des kapitolinischen Jupiters in Flammen aufging und
Sabinus, trotz der Fürbitte des Vitellius, ermordet ward. — Bald änderte
sich jedoch die Stimmung. Sobald sich Vespasianus den Thoren Roms
näherte, wurde der träge Wüstling aus einem Winkel der Herrscherburg her-
vorgezogen und von einer Schaar roher Soldaten unter Qualen und Miß-
handlungen getddtet, sein Haupt ward abgeschlagen und der Leib mit Haken
in die Tiber geschleift. Gefühllos jagte während dieser Kriegsgräuel das ver-
weichlichte und abgestumpfte Volk in Rom seinen gewohnten Lüsten und
Sinnengenüssen nach, und ergab sich dem albernsten Aberglauben. Die alt-
rbmischen Adelsgeschlechter schwanden mehr und mehr dahin; was noch
Gefühl hatte für Sittlichkeit und Tugend flüchtete sich aus der Stadt in die
Landhäuser Campaniens oder wählte den Tod durch Selbstmord. Mancher
suchte und fand Trost und Beruhigung in der Philosophenschule der Stoi-
ker (tz. 134. 224).
3. Die Flavier und Antoninen.
§. 220. Vespasian, der erste in der Reihe der guten Kaiser, stellte
durch Strenge die Kriegszucht in dem Heer und bei den Prätorianern
her, reinigte den Senat durch Entfernung unwürdiger Mitglieder, besserte
die Rechtspflege nach Aufhebung der Majestä ts ge richte, füllte die Staats-
kasse durch Sparsamkeit und Regulirung des Steuer- und Zollwesens und
schmückte das wiederhergestellte Rom durch Anlegung des Friedenstempels
und des großen Amp h ith eaters, dessen colossale Ruinen (Coliseo) noch
jetzt die Bewunderung der Welt erregen. Dabei gab er dem Reiche
größere Einheit, indem er auch den Provinzen die Erwerbung des Se-
natoren- und Ritterrechts zutheilte, und mehrere asiatische Bundes-
staaten mit dem Reiche vereinigte; er brachte durch seinen Feldherrn Cerealis
die unter dem tapfern Claudius Civilis aufgestandenen, von der Seherin
Veleda begeisterten Bataver, Friesen und andere germanische Völker zum
Gehorsam zurück und erweiterte die Grenzen des Reichs durch Unterwerfung
Judäa's und Britanniens. Ein einfacher, praktischer Mann entfernte
Vespasian vom Hof allen Luxus, verbannte die zahlreichen Philosophen,
Astrologen und Wahrsager aus der Stadt und begünstigte nur solche Künste
und Wissenschaften, die dem Staate Nutzen brachten. Trotz seiner an Geiz
grenzenden Sparsamkeit rief er viele großartige Werke und Anstalten ins
Leben.