1. Bd. 1
- S. 349
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Sieg des Christenthums über das Heidenthum.
reichen Güter von sich geworfen und, in ein härenes Gewand gehüllt, die Wüste
zu seinem Aufenthalt erkoren, die bis dahin zerstreut lebenden Einsiedler (Mo-
nächi, Mönche) in eingehegte Plätze (monastcria, coenobia, claustra, Klö-
ster) zu einem gemeinschaftlichen Leben sammelte, und sein Schüler P ach omius
ihnen eine gemeinsame Regel ertheilte. Armuth, Keuschheit und Gehor-
sam waren die drei Gelübde, zu deren strenger Erfüllung jeder bei der Ausnahme
sich verpflichten mußte. Dies war der Anfang des für das Mittelalter so wichti-
gen Mönchs Wesens. Von dem an traten die altrepublikanischen Tugenden,
Vaterlandsliebe, Erfüllung der Bürgerpflicht und thatkrästiges Handeln gegen
die morgenlandischen Ansichten, wonach ein beschauliches, nur der Betrachtung
der göttlichen Dinge gewidmetes, von praktischer Thätigkeit und von den Leiden
und Freuden der Welt abgewendetes Leben für das verdienstlichste galt, in Hin-
tergrund. Je größer die Entsagung und Selbstpeinigung der Büßer, desto größer
die Bewunderung und Verehrung des Volks. Zwei sogenannte Säulen hei-
l i g e (Styliten), S i m e o n und D an i e l, die einen Theil ihres Lebens auf einer
Säule zubrachten, erlangten ein solches Ansehen, daß ihre Worte für Orakel-
sprüche galten und auf die Denk- und Handlungsweise der morgenländischen Welt
den größten Einfluß übten.
§. 235. Die Kirchenväter. Prädestinationslehre. Pelagia-
nisnrus. Die christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte werden Kir-
chenväter genannt. Ihre Werke, größtentheils Vertheidigungsschriften
(apologetische) oder Streitschriften (polemische) gegen die Angriffe
der Heiden oder die Irrlehren der Häretiker, sind um so wichtiger, als die Tra-
d i t i o n s l e h r e, der die katholische Kirche neben den biblischen Schriften Auto-
rität in Sachen des Glaubens, des Cultus und der Verfassung beilegt, auf ihnen
beruht. Je näher sie daher dem apostolischen Zeitalter stehen, desto größer ist ihr
Ansehen, da man annimmt, daß die Apostel ihren Zeitgenossen manche münd-
liche Mittheilungen gemacht haben, die sich nicht in ihren Schriften finden,
wohl aber aus den Werken der Kirchenväter erkannt werden mögen. Auch sind
sie dadurch wichtig,- daß sie zuerst das Ehristenthum mit den wissenschaftlichen
Begriffen und mit der Philosophie des Alterthums in Beziehung brachten und
somit demselben Eingang in die höhern Stände verschafften. Durch sie „begann
die Vermischung der orientalischen Vorstellungen von Religion, von göttlicher
Eingebung, von Regierung, Gesetz und Priesterherrschaft mit den Ansichten der
Griechen und Römer über menschliche Weisheit und weltliche Ordnung, über pro-
phetische Begeisterung und verständiges Nachdenken." An die Zeitbedürfnisse sich
anlehnend, suchten sie die Nichtigkeit des Heidenthums und den Irrwahn der po-
lytheistischen Religionssysteme darzuthun und dagegen die evangelische Lehre von
dem Einigen und Ewigen Gott, der sich durch Christus geoffenbaret, in ihrer
beseligenden, das ganze Leben durchdringenden und reinigenden Kraft preisend
(paränetisch) hervorzuheben. Die Kirchenväter schrieben theils griechisch (wie
Justinus der Märtyrer [j 166] 5 die alexandrinischen Geistlichen Clemens
sch 217] und Orig enes sch 254]; der Kirchenhistoriker und Schöpfer der christ-
lichen Geschichtschreibung Eusebius sch 430] und der als ausgezeichneter Kan-
zelredner berühmte Johannes Chrysostomus, Bischof von Konstantinopel,
dem seine kühnen Predigten gegen die Ausschweifungen des Hofes den Zorn der
Kaiserin Eudoxia und zweimal Verbannung zuzogen sch 407]); theils lateinisch
(wie Tertulli an von Karthago, ein witziger, phantasiereicher aber von häreti-
schen smontanistischen] Ansichten nicht freier Schriftsteller sch 220], der „aus pu-
nischem Latein dem Christenthum eine Literatur errang, in welcher geistreiche