1. Bd. 1
- S. 360
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Untergang der alten Welt.
thums beraubt, mit gleicher Wuth Stadt und Land verwüstet. Da keine Saat
ausgestreut und die vorhandenen Früchte mehr verdorben als genossen wurden,
so brach eine solche Hungersnoth aus, daß die Bewohner genöthigt wurden, ihr
elendes Leben durch das Fleisch der Tobten zu fristen. Die wilden Thiere, durch
die vielen Leichname, die nicht begraben werden konnten, an Menschenfleisch ge-
wöhnt, sielen die Lebenden an und zerrissen sie, und damit das Uebermaß der
Leiden nicht ausbliebe, brach die gewöhnliche Gefährtin des Hungers, die Pest
aus, und raffte Bedrücker und Bedrückte in ungeheuerer Zahl dahin."
*) Ueberhaupt waren während der großen Wanderung die Stämme vielfach gemischt;
der vorherrschende gab dem ganzen Zug den Namen.
§. 241. In seiner Bedrängniß hatte der wackere Stilicho mit Alarich
um einen jährlichen Tribut ein Freundschaftsbündniß geschlossen. Dies be-
nutzten seine Feinde zu einer Anklage auf Hochverralh und bewirkten seine
Hinrichtung in Ravenna. Da rückte Alarich, ergrimmt über die Vorenthal-
tung des Tributs und von Stilicho's verfolgten Anhängern und den schwer
gedrückten Arianern um Schutz angegangen, in Italien ein, belagerte Rom
und zwang die geangstigten, von entsetzlicher Hungersnoth heimgesuchten
Einwohner, mit Gold, Silber und kostbaren Gewändern die Gnade des Sie-
gers zu erkaufen. Als aber der Hof von Ravenna Alarichs Friedensanträge
hochmüthig zurückwies, erschien der Gothenfürst wiederholt vor den Mauern
der einst weltbeherrschenden Stadt, erstürmte sie endlich bei nächtlicher Weile
und gestattete seinem Heer und den zu ihm übergegangenen Schaaren von
Sclaven eine dreitägige Plünderung. Doch ließen sie den christlichen Kirchen
ihren reichen Schmuck und goldenen Gefäße. Bald darauf starb der Held in
des Lebens Blüthe in Unteritalien. Sein Sarg und seine Schätze wurden,
der Sage nach, in dem abgeleiteten Flüßchen B usento in die Erde gesenkt
und dann alle bei der Arbeit verwendeten Gefangenen getbdtet, damit Nie-
mand erfahre, wo der große König begraben sei und römische Habsucht die
Ruhe seiner Gebeine nicht störe. Sein Schwager Athaulf (Adolf) schloß
mit Honorius, dessen edle Schwester Placidia ihm vermählt ward, einen
Vertrag, worin der Abzug der Gothen nach dem von fremdenkriegsschaaren
verheerten und von ungetreuen Statthaltern und Feldherren von wilder Em-
pörung heimgesuchten Gallien bedungen war. Hier gründete Athaulf und
nach dessen Ermordung auf einem Feldzüge in Barcellona sein Nachfolger
Wallia das weftgothische Reich, das anfangs von der Garonne bis zum
Ebro sich erstreckte und Tolosa (Toulouse) zur Hauptstadt hatte, bald
aber, nach dem Abzug der Vandalen und Alanen nach Nordafrika, allmäh-
lich auch die übrigen Provinzen von Spanien umfaßte, wogegen der süd-
gallische Landstrich mit der Zeit den Franken zufiel. — Placidia kehrte an
den Hof nach Ravenna zurück und bewirkte nach Honorius' Tod mit by-
zantinischer Hülfe die Erhebung ihres feigen und verweichlichten Sohnes aus
zweiter Ehe Valentinians (Iii.) zum Imperator des Abendlandes, über
den sie dann bis an ihren Tod einflußreich herrschte.