1. Bd. 1
- S. 483
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Uebermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge. 483
Christenthum schloß und deßhalb ein Bekehrungsschreiben an den Sultan
Kamel und die ägyptische Geistlichkeit erließ und daß der heil. Franciscus von
Assisi (§. 321.) sich in das saracenische Lager wagte, um den Ungläubigen die
Worte des Lebens zu verkündigen. Wahrend der Belagerung der Stadt hat-
ten sich viele Mohammedaner taufen lassen.
*) Den Pilgern, welche Besitz von Damiette nahmen, (erzählt Wilken im
Vi. Bande seiner „Geschichte der Kreuzzüge") bot sich ein schauderhafter Anblick
dar. Nicht nur die Häuser, sondern auch selbst die Straßen waren mit unbegrabenen
Leichnamen angesüllt, welche meistens ohne Kleidung und Bedeckung den Hunden zur
Nahrung dienten; in den Betten lagen Tobte neben hülfloscn Kranken und Sterbenden,
und die Verpestung der Luft war unerträglich. Von achtzig Tausend Einwohnern, welche
die Stadt im Anfänge der Belagerung gezählt hatte, waren nur noch drei Tausend übrig,
und unter diesen nur noch hundert Gesunde. Trostlos war besonders der Zustand der
Kinder, welche, beraubt ihrer Eltern und Pfleger, um Speise und Trank flehten. Gleich-
wohl erwürgten manche fühllose Pilger an dem Tage der Eroberung von Damiette eine
nicht geringe Zahl der unglücklichen Muselmänner, welche Hunger und Krankheit unfähig
zum Widerstande machte. ■— Die Gefangenen wurden mit Ausnahme von vierhundert
reichen und wohlhabenden Muselmännern, welche zum Behufe der Auswechselung von
gefangenen Christen zurückbehalten wurden, als Sklaven verkauft, weil die Ernährung
aller dem Schatze des Heeres lästig wurde; und der Bischof von Ptolemais, Jacob von
Vitry, nahm eine große Zahl von saracenischen Kindern an sich, welche er taufte und ent-
weder bei sich selbst behielt und im Chriftenthum unterwies, oder seinen Freunden zur
Erziehung und zum Unterrichte übergab. Fünfhundert dieser unglücklichen Kinder aber,
deren Lebenskraft durch Hunger und Elend war zerstört worden, starben sehr bald nach
der Taufe; und auch von den erwachsenen Gefangenen überlebten sehr viele nicht lange
den Verlust ihrer Freiheit, die übrigen wurden von ihren Herren nach Ptolemais geschickt.
Der Cardinal Pelagius hielt erst am Tage Mariä Lichtmessen, nachdem die Stadt voll-
kommen gesäubert worden war, seinen feierlichen Einzug, begleitet von dem Patriarchen
von Jerusalem, der ganzen übrigen Geistlichkeit und dem Volke, mit brennenden Kerzen
und der Absingung von Hymnen und Lobgesängcn zu Ehren Gottes.
§. 326. Nach solchen Vorgängen unternahm endlich der mit dem
Bannfluch beladene (§. 319*) Kaiser Friedrich Ii. den fünften Kreuz-
zug, zu einer Zeit, wo der Sultan Kamel von Aegypten mit seinem Nef-
fen, dem Beherrscher von Damaskus, über den Besitz von Syrien und
Palästina im Kriege lag. Nun aber zürnte der leidenschaftliche Papst
Gregor Ix. nicht minder über den Vollzug des kaiserlichen Versprechens
wie er vorher über die Unterlassung gezürnt. Er verbot den Ordensrittern
und allen christlichen Streitern, den gebannten Kaiser in seinem Unternehmen
zu unterstützen und als es diesem dennoch glückte, durch die Ueberlegenheit
seines Geistes, durch seine Sprachkenntnisse und durch kluge Benutzung der
Umstande den bedrängten und aufgeklärten Sultan zu einem Vertrag zu
bringen, wodurch Jerusalem, Bethlehem und Nazareth sammt ihren Gebie-
ten und der ganze Küstenstrich von Joppe bis Sidon den Christen abge-
treten wurde, so schleuderte der Papst (dem dieser Friede als ein Gewebe von
Falschheit und Tücke erschien, weil darin den Moslemin ungestörter Zutritt
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