1. Bd. 1
- S. 494
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Das Mittelalter.
Grund zu einem freien Bauernstand, indem viele Leibeigene durch sie
zur Freiheit gelangten, und hoben und erweiterten besonders 3) die Macht
und Bedeutung des Bürgerstandes und des Städte Wesens, indem
durch die Annäherung ferner Lander und die Kenntniß fremder Erzeugnisse
der H and el belebt, das Gew erbwesen ausgebildet und Wohlstand er-
zeugt wurde. Die freien Verfassungen der meisten städtischen Gemeinheiten
weckten vaterländischen Sinn und Bürgertugend, so daß die Städte all-
mählich der Sitz der Kraft, der Bildung und eines gesitteten Lebens wurden,
als der Ritterstand von seiner durch die Kreuzzüge herbeigeführten Hohe
herabfank, seiner Tugend und edlern Bestrebungen vergaß und an Raub
und rohen Genüssen Ergötzen fand. Die Rathhäuser, die gothifchen Dom-
kirchen und die mit Erkern versehenen Wohnhäuser der meisten deutschen
Städte zeugten von der Kraft, dem Wohlstand, der Lebensfrische und der
Cultur der Bürger, die nicht blos mit den Erzeugnissen ihrer eigenen Ge-
werbchätigkeit, sondern auch mit den Produkten ferner Länder ausgedehnten
Handel trieben.
§. 337. Das Ritterw esen. Als derheerbann drückend zu werden an-
fing und sich Viele demselben zu entziehen suchten (§. 283.), siel die Waffenfüh-
rung und der Reiterdienst einer Anzahl Kriegsleuten von Beruf zu, die sich mit
der Zeit zu einem eigenen Stande ausbildeten. Das Wesen des Ritterthums,
das besonders in Frankreich und bei den Normannen seine Vollenduitg er-
hielt, beruhte theils auf dem Gefühl persönlicher Ehre, deren Anerkennung
man von Andern, sei es auch mit Waffengewalt, erzwingen wollte, theils auf der
Geburt aus einem ritterlichen Adelsgeschlecht (denn nach dem Charak-
ter des Mittelalters biloeten die Ritter gleich den Gelehrten, Geistlichen, Künst-
lern, Handwerkern u. a. eine G en o ssen sch a ft, Innung oder Corpora-
tion), theils auf der rittermaßigen Erziehung a ls P ag e oder Kn ap p e,
wobei man sich turch eine Waffenthar die Sporen verdienen mußte, ehe man durch
den Ritterschlag in die Genossenschaft ausgenommen werden konnte. „Für die
Waffen geboren, trat jeder freie adelige Jüngling seinen Berus an, sobald er her-
angewachsen war. Bei dem kriegerischen Geiste ist leicht zu erachten, daß es ein
Hauptsest für die Familie war, wenn einer von den Söhnen des Hauses, zur
Reife gelangt, wehrhaft gemacht wurde. Den Tag zahlte der Jüngling zu
den merkwürdigsten seines Lebens, an dem er zum ersten Male öffentlich ein
Schwert tragen durfte. In der feierlichen Umgürrung desselben, entweder eigen-
händig, oder durch einen vornehmen, wenigstens berühmten Kriegsmann vollzo-
gen, bestand der Eintritt in die kriegerische Volljährigkeit. — Man verfiel sehr
natürlich darauf, den wehrhackzu machenden Jüngling Beweise seiner Geschick-
lichkeit in den Waffen ablegen zu lassen. Dies ward jedoch bald zur leeren Form,
wie die meisten Prüfungen. Um die Feierlichkeit zu heben, war es ein durch
Alter und Rang ausgezeichneter Miles, der mit dem Jünglinge ein
Prüfungsgefecht anstellte, gegen den sich aber der Geprüfte aus diesen Rücksichten
nicht ernsthaft wehren durfte: eine Förmlichkeit, die sich endlich auf einen feier-
lichen Hieb, den nachher sogenannten Ritterschlag, beschrankte." Der
Hauptzweck des Ritterthums, das als höchste Würde des Mannes, als nothwen-
diger Schmuck der Fürsten galt, war Karnpf, theils um die eigene Kraft zu