1. Bd. 1
- S. 499
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Die Uebermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge. 499
Gepränge, mit Hosbeamtcn und Dienstmannen gleich den weltlichen Regenten, und angesehene
Standesherren, Grafen und Barone erschienen als bischöfliche Lehnsleute und Besitzer von
Erb- und Ehrenämtern.
§. 340. Im siebenten und achten Jahrhundert hatte sich im Morgenlande
eine Religionspartei, Paulicianer (Manichäer), von den Ansichten der
herrschenden Kirche losgesagt und als Secte ausgeschieden. Blutige Verfolgun-
gen führten Viele von ihnen durch Bulgarien und Jllyrien nach verschiede-
nen Gegenden des Abendlandes, wo sie unter dem Namen Katharer (= Pu-
ritaner, daher Ketzer), weil sie sich als eine auserwahlte Schaar von Heili-
gen betrachteten und auf eine Reinigung oder Vereinfachung der Kirche in Glau-
den, Cultus und Verfassung hinstrebten, unter allem Druck sich erhielten. — In
Streben und Zweck verwandt mit den Katharern, aber reiner in Wandel und
frei von Schwärmereien, war die im Abendlande entstandene Secte der Wal-
denser, die lange unbeachtet in den stillen Thälern der obern Apenninen gelebt
hatten, bis P et ru s Wa l d u s, ein reicher Kaufmann aus Lyon, der seine Güter
den Armen vertheilte, im 12. Jahrhundert ihren Ansichten größere Ausbildung
und weitere Verbreitung gab. Der Macht, dem Luxus und der Verweltlichung
des Klerus stellten die Waldenser die Lehre von der apostolischen Einfachheit und
Armuth entgegen, verwarfen die Autorität des Papstes, bestritten die durch die
Scholastiker (§. 322.) ausgebildeten Satzungen vom Opfer der Messe, von
der Ohrenbeichte, der Substanzverwandlung u. A., nahmen nur zwei Sacra-
mente, Taufe und A b en d m ah l, an und betrachteten die heilige Schrift als
einzige Quelle des Glaubens.
tz. 341. Die Albigenserkriege. In dem Maße, als diehierarchie
die Einheit der Kirche durch Zwang festzuhalten suchte und die individuelle
Freiheit des Denkens und Glaubens beschrankte, fanden die Grundsätze der
beiden Secten, Katharer und Wald enser, größere Verbreitung. Der
Süden von Frankreich, die Provence und Languedoc, wo unter einem schö-
nen, sonnenreichen Himmel sich ein wohlhabender Bürgerstand gebildet hatte,
wo freie Institutionen und republikanische Städteverwaltung Selbständigkeit
in Thun und Denken erzeugten, wo die Reste griechischer und römischer Cul-
tur, verbunden mit germanischem und spanisch-arabischem Wesen, eine eigen-
thümliche Bildung und eine Fülle heiterer Dichtung und praktischer Wissen-
schaft hervorgebracht, wo die heitere proven Malische Poesie der Trou-
badours ihre Laune und ihren satirischen Muthwillen an Bischöfen und
Priestern ausließ, war der Sitz dieser unter dem gemeinschaftlichen Namen
Albigenser (von der Stadt Alby) zusammengefaßten Secten. Gegen sie
und ihren Schützer, den reichen Grafen Raymund Vi. von Toulouse, ließ
Innocenz Iii. (nachdem seine Aufforderung zur Rückkehr in den Schooß der
Kirche erfolglos geblieben und ein päpstlicher Legat seinen Tod durch Mör-
derhand gefunden) von den Cisterciensermönchen das Kreuz predigen
und verlieh Rapmunds Güter dem harten Grafen Simon von Montfort.
Sofort zogen Schaaren wilder Krieger, vor denen fanatische Mönche mit
dem Kreuz einherschritten, in das blühende Land, zerstörten die reichen
Städte, die prunkenden Paläste, die stolzen Burgen, mordeten Schuldige
32*