1. Bd. 1
- S. 508
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Das Mittelalter.
g othen durch die Gediegenheit des Stoffes und die wissenschaftliche Anordnung
von großer Bedeutung.
Wie die meisten „Gesetze der Barbaren" ist auch das salische Rechtsbuch in lateinischer
Sprache verfaßt; zum leichtern Verständniß der des Lateinischen unkundigen Richter
(Schöffen) auf den Gcrichtsstätten, Malbergen, wurden jedoch hie und da Uebersetzungen
der Hauptbestimmungcn in altfränkischer Sprache beigefügt, die unter dem Namen
Malberger Glossen bekannt sind. Das ebenfalls in zwei Rccensionen vorhandene Ge-
setzbuch der Ripuarier ist größtentheils nur eine ostfränkische unter den austrasischen
Königen angefertigte Bearbeitung des salischen Gesetzes mit einigen aus dem römischen
Rechte entlehnten oder durch das Christenthum und die kirchlichen Verhältnisse gebotenen
Zusätzen und Rechtsbcstimmungen. Unter, dem Einfluß der ostfränkischen (austrasischen)
Könige, besonders des Theodorich und Dagobert wurden auch die Gesetze der
Allemannen ausgezeichnet. Sowohl diese wie das zur Zeit der Ka r olin g er und des
Bayernherzcgs Thassilo gesammelte oder doch vervollständigte bayerische Gesetzbuch
enthalten neben dem uralten deutschen Volksrechte noch Bestimmungen, die aus dem
römischen Rechte übcrgegangen sind oder durch die kirchlichen und politischen Verhältnisse
der Zeit bedingt wurden. Zu Karls des Großen Hauptverdiensten gehört die große Sorg-
falt, die er der Aufzeichnung der germanischen Volksgesetze widmete, wobei meistens ge-
setzeskundige Kleriker verwendet wurden. Von der Art sind die auf dem Reichstag in
Aachen 802 und 803 zusammengestcllten Nechtsbcstimmungen der Friesen, das sog.
Wäringer oder Thüringer Gesetz, das in Holstein und Schleswig entstanden,
auch als Recht der Angeln und Dänen nach England verpflanzt wurde. Verschieden
davon sind die angelsächsischen Gesetze, welche ohne Einfluß der Karolinger und ohne
fremde Zusätze ausgezeichnet wurden und die zwischen den Königen und den geistlichen und
weltlichen Ständen des Reichs vom 6. bis ins 11. Jahrh. vereinbarten Rechtsbestimmun-
gen (Constitutionen) enthalten. Dagegen trägt das kurze sächsische Gesetzbuch, das
wegen seiner Strenge verrufen war, deutliche Spuren fränkischer Einwirkung an sich.
Die wichtigste Gesetzessammlung ist die der Westgothen, die in ihrer gegenwärtigen
(letzten) Gestalt aus der Zeit des Königs Egiza (ff 701), des Vaters von Witiza
(ff 710 vgl. §. 263.) herrührt. Es besteht großentheils aus volksthümlichem unter könig-
licher Autorität ausgezeichnetem Recht. „Diese Lex unterscheidet sich von allen übrigen
Volksrechtcn dieser Periode durch den schöpferischen legislativen Geist, welcher sich in der-
selben ausspricht, so wie durch ihre Systematik: sie ist überhaupt der erste und älteste
Code im modernen Sinne in Europa, in welchem römisches und deutsches Recht zu einem
Ganzen verarbeitet worden ist. Berechnet aus eine endliche Verschmelzung der römischen
und gothischen Bevölkerung in Spanien zu einer einzigen Nation, will sie auch dortselbst
als einzige Rechtsquelle gelten, und erklärt daher die römischen Rechtsqucllen für durchaus
abgeschafft, obgleich sie viele römische Rcchtssätze und mitunter ächte. Stellen in sich aus-
genommen hat." — Das Gesetzbuch der Burgunder wurde im Anfang des 6. Jahr-
hunderts durch König Gundobald (ff 515) mit Zustimmung der Großen des Landes
zusammengestellt und ausgezeichnet und von dessen nächsten Nachfolgern mit Benutzung des
römischen Rechts erweitert. Es ist ausgezeichnet durch gute Latinität und milde Fassung.
Noch sichtbarer ist die Einwirkung des römischen Rechts in dem Rechtsbuche der Lange-
barde», das von König Grimoald (668) begonnen, unter seinen Nachfolgern Luit-
prand, Rachis und Aistu lf (§, 253.) fortgesetzt und dann durch Verordnungen Karls
des Großen und einiger römisch-deutscher Kaiser vermehrt worden ist. Es existirt eine
doppelte Anordnung, eine ältere chronologische und eine jüngere systematische, welche letz-
tere durch lombardische Rechtskundige mit Glossen versehen ward. Die „Lombarda" trägt
Spuren „von steigender Entsittlichung des Volks, Vermehrung der Verbrechen und An-
wendung ungcrmanischer Strasarten."