1. Bd. 1
- S. 517
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Verfall der Lehnsmonarchle und Entartung der Kirche. 517
Aegypten hin verschifft. — Straßburg, Frankfurt und Köln dienten als Stapelplätze für die
nach Frankreich und nach den Niederlanden gehenden Waaren ; Erfurt war der Mittel-
punkt des deutschen Binnenhandels. Die Hansa versah Rußland (durch Wisby und
Nowgorod), Scandinavien und London (wo sie einen privilegirten Markt, den sogenannten
Stahlhof, hatte) mit deutschen Waaren. Wien vermittelte die Verbindung mit Kon-
stantinopel. Wisby, von deutschen Ansiedlern gegründet und zum Theil bevölkert, „fast
das ganze Mittelalter hindurch ein Hauptvereinigungspunkt des nordeuropäischen Handels,
jetzt verödet und einsam, zeigt nur noch in den Marmorruinen der Kirchen die Spuren
geschwundenen Glanzes." Nowgorod am Wolchow, in dunkler Zeit als selbständiges
städtisches Gemeinwesen ausgebildet, „vermittelte den Verkehr des Südens von Konstan-
tinopel und Kairo her, so wie den Karavanenhandel der Bulgaren mit den finnischen
Völkerschaften. Dem Freistaate waren die Völker bis zum Onegasee unterworfen und
gaben dem stolzen Worte Wahrheit: „wer kann wider Gott und Nowgorod." Aus allen
Gegenden stoffen Rcichthümer nach Deutschland und die in der ersten Zeit sehr ergiebigen
Bergwerke im Harz, im Thüringerwald und im Erzgebirge mehrten die Masse des Sil-
bers. — Außer den Uebersällen der Raubritter war auch noch das allenthalben herrschende
Strandrecht, Stapel- und Krahnrecht eine schwere Geißel für den Handelsstand. Der
Geldhandel war hauptsächlich in den Händen der Lombarden und Juden, und da die
letzteren mit diesen Geschäften häufig drückenden Wucher verbanden, so steigerten sie da-
durch den schon aus religiösen Beweggründen in der Brust der Christen keimenden Juden-
haß. „Von den Anfängen des Mittelalters an, auf welches sich die christlich-römische
Antipathie gegen sie verpflanzte, bis über dessen Ende hinaus sehen wir sie im Winden
und Ringen gegen Schmähung und Verfolgung. Sie erholten sich von jeder Verfolgung
und suchten und fanden Entschädigung für Mißhandlung, Beraubung und Austreibung
im Geldgewinn von den Christen, die bei dem kirchlichen Verbot der Zinsnahme unter
Christen der Juden nicht entbehren konnten. Die ganze Schärfe des Judengeistes richtete
sich auf den Wucher und darin vergalten sie den Christen durch Unverschämtheit ihrer
Plusmacherei und hartherzige Benutzung der Verlegenheiten, wo man sich an sie wandte,
Hohn und Druck." Außer den großen Verfolgungen, denen die Juden besonders zur
Zeit der Kreuzzüge ausgesetzt waren, wurden sie noch vielfach an Ehre und Gut verletzt.
Sie lebten in besondere Viertel oder Gassen abgesperrt, mußten Abzeichen tragen, wurden
oft schwer geschätzt, ihre Schuld- und Zinssorderungcn für ungültig erklärt u. drgl. m. —
2. Gründung der Habsburger Macht.
§. 345. Ein wichtige Folge des Sinkens der kaiserlichen Gewalt wah.
rend des Zwischenreichs war die Ausbildung der Fürstenmacht, indem
eine Menge Herzogthümer und Grafschaften Landeshoheit (Territo-
rialrecht) erwarben (vgl. §. 316). Als daher nach Richards Tod eine 1272.
neue Kaiserwahl stattfand, suchten die Großen, von denen schon damals
die Wahl (Kur) vorzugsweise ausging, und die daher Kurfürsten genannt
wurden, die Erhebung eines an Land und Leuten mächtigen Fürsten zu Hin-
tertreiben, um nicht das Errungene wieder einzubüßen. Da gelang es dem
Erzbischof Werner von Mainz die Wahl auf den ihm befreundeten Grafen
Rudolf von Habsburg zu lenken, dessen mäßige Stammgüter im Elsaß Habsburg
und in der S chweiz den Wahlfürsten keine Furcht einfloßten, wahrend doch ^oit
seine erprobte Tapferkeit, Kraft und Klugheit Bürge war, daß er der Herr-