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1. Bd. 2 - S. 14

1854 - Leipzig : Engelmann
14 Die Vorboten der neuen Zeit. ergrimmt, daß sie ihn der Ketzerei beschuldigten, eine seiner Schriften, den Au- 1514. genspiegel, öffentlich verbrannten, die griechische Sprache als Mutter aller Häresien und das Erlernen des Hebräischen alshinneigung zum Iudenthum dar- stellten. Dies gab das Signal zu einem heftigen Federkriege, in dem alle Freunde der Bildung, und namentlich die strebsame Jugend, auf Reuchlins Seite traten und die Sache der freien Wiffenschaft gegen Geistesbeschranktheit und rohe Ge- waltthatigkeit so kräftig verfochten, daß endlich der päpstliche Hof sich gemüßigt sah, dem fernem Streiten zu wehren und dem Humanismus den Sieg zuzugestehen. Die Kölner wurden zu den Prozeßkosten verurtheilt und, als sie mit deren Ent- richtung zögerten, von dem aufgeklarten Franz von Sickingen, dessen Stammschloß, die Ebernburg bei Kreuznach, der Sammelplatz vieler freisin- niger Männer war, mit Gewalt dazu angehalten. Dieser Streit, bei welchem der Kaiser und alle Fürsten und Städte Partei für Reuchlin nahmen, mehrte die Zahl der Humanisten und förderte die Sache der Bildung. Von dem Kreise, der sich um Reuchlin schaarte, gingen die Briefe der Dunkelmann er (Obscu- ranten) aus, bei deren Abfassung namentlich Ulrich von Hutten thatig gewesen sein soll. In diesem ist „die Dummdreistigkeit der Bettelmönche, ihre gemeine Sittenlosigkeit und ihr Zetergeschrei über die Ketzerei der Humanisten mit ihrem eignen Küchenlatein als so treue Carricatur dargestellt, daß anfangs Dominicaner selbst dieses Buch verbreiteten, gegen das sie nachher vergeblich Bannflüche aufboten." §. 433. Erasmus von Rotterdam (1467 —1536), ein kluger, feiner Mann voll Scharfsinn und Witz. Er wurde in seiner Jugend beredet, in ein Kloster zu gehen, obwohl seine ganze Natur dem Mönchsleben widerstrebte. Durch den Beistand des Bischofs von Cambray erhielt er nach einiger Zeit seine Freiheit wieder und die Vergünstigung, in Paris Theologie zu studiren. Hier faßte er einen solchen Widerwillen gegen die Scholastik, daß er sie, wie auch das Mönchs wesen, sein ganzes Leben hindurch mit allen Waffen des Witzes und Verstandes bekämpfte. Bald erscholl sein Ruhm bei allen europäischen Völ- kern; Fürsten und Edelleute überhäuften ihn mit Einladungen, Geschenken und Schmeicheleien; in allen Landern begehrte man seiner und suchte ihn durch glan- zende Versprechungen zu locken. Aber er zog ein freies Literatenleben jedem Amte vor; er bereiste alle Staaten des civilisirten Europa's, hielt sich aber zuletzt größ- tentheils in Basel auf, wo er in Verbindung mit dem Buchdrucker F r o b en eine Menge Schriften in der Sprache und im Geiste des Alterthums herausgab. „In sein Haus zu Basel strömten die Geschenke; von allen Seiten besuchte man ihn, nach allen Weltgegenden empfing er Einladungen. Ein kleiner, blonder Mann mit blauen halbgeschlossenen Augen voll Feinheit der Beobachtung, Laune um den Mund, von etwas furchtsamer Haltung: jeder Hauch schien ihn umzu- werfen: er erzitterte bei dem Worte Tod." Unter seinen zahlreichen Werken sind das Lob der Narrheit und die correcte Ausgabe des Neuen Testa- ments im griechischen Urtexte nebst lateinischer Uebersetzung und Umschreibung (Paraphrase) die wichtigsten. Jenes, eine volksthümliche Satire in lateinischer Sprache, aber vielfach übersetzt, geißelte die Thorheiten aller Stande, besonders der Geistlichen und Mönche; dieses regte zum Studium der Heiligen Schrift in der Ursprache an und that der Reformation großen Vorschub. Als nach Luthers Austreten der Kampf des Neuen gegen das Alte eine so großartige Gestalt an- nahm, zog sich Erasmus, ein schüchterner, auf ruhigen Genuß des Lebens be- dachter Mann, scheu zurück und bekämpfte Luthers Verfahren, das er anfangs gebilligt. Erasmus hatte für die Leiden des Volks kein Herz und jede gewaltsame
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