1. Bd. 2
- S. 73
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Begründung der neuen Zustände unter Karl V.
Frankreich, besonders in den blühenden Städten des Südens, wo vor Jahr-
hunderten die Albigenser durch das Schwert der Kreuzfahrer und den Bekeh-
rungseifer der Dominicaner vertilgt worden (§. 341.); anderthalb Jahrhundert
kämpften die französischen Calvinisten (Hu g u en o tten) um ihre Existenz; Mord,
Verfolgung und Druck minderte zwar die Zahl der Bekenner, war aber nicht ver-
mögend den reformirten Glauben auszurotten. Von Frankreich und der Schweiz
drang der Calvinismus in die Nied erlande, wo ihm nach blutiger Bekäm-
pfung in den nördlichen Provinzen (Hollan d) der Sieg zu Theil ward. Freie
republikanische Verfastung und Unabhängigkeit von Spaniens Herrschaft war in
seinem Gefolge. In der Presbyterialkirche Schottlands erhielten Cal-
vin's Ansichten ihre schärfste demokratische Prägung. Hier erhob sich die Syno-
d a lv e r fa ssu n g auf den Trümmern der Hierarchie über den machtlosenkönigs-
thron. In England erlagen die ähnlichen Grundsätze der Puritaner der
Macht der Hochkirche; aber zahlreiche Secten pflanzten sie fort, und auf
Nocdamerika's freiem Boden erlangten sie ihre vollendetste Ausbildung.
Auch in Deutsch land fand der volksthümliche Calvinismus zahlreiche Be-
kenner. Friedrich Iii. von der Pfalz führte denselben in seinem Lande ein
und ließ durch Ursinus und Olevianus den H eid e lb erg er Katech is- 1559.
mus, eine weitverbreitete Bekenntnißschrift des reformirten Glaubens, abfasten.
Doch gelangte daselbst die calvinische Kirchenreform erst durch Casimir zum
völligen Sieg. Dasselbe geschah nicht ohne heftige Kämpfe und mancherlei Zer- 16<M'
rüttung in Hessen durch den gelehrten Landgrafen Moritz, im Anhalt-
schen (1596) und zum Theil in B rem en und Brand enburg, wojoh.
Sigismund in Berlin das Abendmahl nach calvinischer Weise nahm. Selbst It>13-
Melancbthon und seine Anhänger (Philippisten, Kryptocalviniften)
waren im Herzen von der Wahrheit der calvinistischen Auffassung überzeugt. '^0.
Durch Kundgebung dieser Ansicht verbitterte sich jener den Abend seines Lebens
so, daß er kummervoll und verleumdet in die Grube hinabfuhr, und die letztern los0-
zogen sich in Sachsen Verfolgung und Kerker zu. Die C0n c0rdienformel
(§. 561.) machte dem Kryptocalvinismus mit derzeit ein Ende, befestigte
aber die Kluft zwischen Calvinisten und Lutheranern und nährte den un-
seligen Haß der einen Confession gegen die andere. Der Kanzler Crell, der
nochmals einen Versuch machte, Sachsen dem Calvinismus zuzuführen, starb i6oi.
nach zehnjähriger Haft als Hochverräther unter dem Schwert des Scharfrichters.
6. Gründung der anglikanischen und presbyterianischen Kirche.
§. 501. Heinrich Viii., ein in scholastischer Wissenschaft unterrich- Hem-
teter Fürst, bekämpfte Anfangs Luthers Ansichten mit einer Streitschrift 1509-4?!'
über die sieben Sacramente, und dessen Anhänger mit Kerkerstrafen
und Scheiterhaufen. Aber seine Anhänglichkeit an den römischen Stuhl, der
ihm zum Lohn für seinen Eifer den Titel eines Beschützers des Glau-
bens verlieh, wurde in Haß gekehrt, als Clemens Vii. aus Rücksicht für
den Kaiser dem Wunsche des Königs, von seiner spanischen Gemahlin Ka-
tharina geschieden zu sein, nicht willfahrte, wie er ihm doch vorher Hoffnung
gemacht. Theils Gewissensscrupel über die Gültigkeit seiner Ehe mitkatha-
rina, die seines verstorbenen Bruders Weib gewesen, theils das Verlangen,
sich mit der liebenswürdigen Anna Boleyn zu vermählen, erzeugten end-
lich in Heinrich den Vorsatz, durch eine Trennung von Rom die Möglichkeit