1. Bd. 2
- S. 89
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Das katholische Kirchenthum.
c) Die römische Hierarchie.
§. 517. D i e Papste (vgl. h. 458). Unter den Päpsten des 16. Jahr-
hunderts waren einige durch große Eigenschaften und durch angestrebte oder voll-
führte Verbesserungen ausgezeichnete Fürsten, nur daß ihre Harte gegen die Ab-
trünnigen diese Eigenschaften in Schatten stellte. Paul Hi., der durch seine Paul in.
Hülfsgelder im schmalkaldischen Krieg dem Kirchenstaat eine schwere Schuldenlast 15'i53449
aufbürdete und den Jesuitenorden bestätigte, gab doch einigen gelehrten und from-
men Kardinalen den Auftrag, einen Reformationsentwurf auszufertigen, wodurch
der Willkür der Papstgewalt, der Unfähigkeit und Unsittlichkeit des Klerus und
andern Uebelstanden gewehrt werden möchte. Die unzeitige Bekanntmachung
und Luthers Hohn darüber vereitelte den Plan. Nach Julius Iii. und der kur- Julius
zen Regierung Marcellus' Ii. erlangte P au l Iv. die päpstliche Würde. Dieser 1549,55.
„brachte den finstern Ernst eines achtzigjährigen leidenschaftlichen Mönchs auf^uul tv.
den Thron." Seine eigene Harte und die grausame Strenge, womit auf seinen
Befehl das Jnquisitionsgericht alle Verdächtigen züchtigte, reizte das Volk so,
daß es an seinem Todestag seine Bildsäulen verstümmelte und das Haus der
Inquisition niederbrannte. Die Juden, die er in das Ghetto eingeschlofsen
und auf das Furchtbarste beschrankt und gedrückt hatte, schloffen sich dem wü-
thenden Römervolke an. Sein Nachfolger Pius Iv., der Vollender des Tri-1
dentiner Concils, und P ius V. befolgten dieselben Maßregeln der Strenge gegen Pius v.‘
die Protestanten und Gregor Xiii., der Verbefferer des kanonischen Rechts-
buchs und der Ordner der I a h res rechnung (§. 550.), ließ bei der Nachricht _xrii.
von der Bartholomäusnacht ein Tedeum singen für die Ausrottung der Feinde K)/~ ~So-
Christi. Der bedeutendste Kirchenfürst des ganzen Jahrhunderts war der von
einem armen Hirtenjungen zum Franciscaner, Inquisitor, Kardinal und endlich
zum Papst erhobene Sixtus V. , ein Mann von einer gewaltigen Herrscher-
narur, der weniger darnach strebte, die Ketzer auszurotten, als dem päpstlichen
Ansehen den alten Glanz zu verleihen und die katholischen Fürsten mit der Curie
in nähere Verbindung zu bringen. „Er vernichtete die Banditen, stellte durch
unerbittliche, barbarische Strenge einen festen Rechtszuftand her, unterstützte die
Armen auf vernünftige Weise, weckte die Betriebsamkeit, gab der vaticanischen
Bibliothek ihre Größe, ließ verschiedene Bibelwerke (darunter eine revidirte au-
thentische Vulgata) drucken, zog die Riesenwerke des Alterthums aus ihren
Trümmern (Coloffeo), so weit sie dienen mochten den Sieg des Kreuzes zu ver-
herrlichen, und obwohl er nicht unwürdige Bauwerke neben sie stellte, auch seine
Verwandten (Nepoten) bereicherte, hinterließ er doch einen großen Schatz in der
Engelsburg, durch Anleihen und durch die äußerste Ausdehnung des Aemter-
verkauss gesammelt." Er wurde gehaßt und geschmäht, aber von Mit- und
Nachwelt bewundert. Clemens Viii. besaß einen sanftern Geist. Er gab
Frankreich die langentbehrte Ruhe durch die Absolvirung Heinrichs Iv., stiftete
Frieden zwischen ihm und Spanien und erwarb dem Kirchenstaate Ferrara,
wo mit dem Aussterben des Hauses Este der Glanz des durch Kunst und Wis-
senschaft verherrlichten Hoflebens erlosch. Der stolze Paul V. sprach über Ve- Paulv.
nedig Bann und Interdikt aus, weil es die Auslieferung einiger verurtheilten
Kleriker und die verlangte Aufhebung eines Gesetzes gegen die Vermehrung des
Grundeigenthums der Kirche verweigerte. Der Mönch Paolo Sarpi (§.553.)
verfocht die Rechte der Republik mit solchem Erfolg, daß Rom nachgab. Gre- Gregor
gor Xv. erhielt die Heide lberg er Bibliothek als Ersatz für die Anstren-102^-23.
gungen, die er für den deutschen Krieg machte. Sein Nachfolger Urban Viii. Urban
sah nicht ungern, daß die Uebermacht des östreichischen Hauses durch die Schweden ig23- 4 4