1. Bd. 2
- S. 102
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Zeit der Gegenreformation.
Da nämlich unter dem schwachen, von dem Herzog von Lerma sclavisch
beherrschten Philipp Hi. den niederländischen Schiffen die Einfuhr in die spa-
nischen und^portugiesischen Hafen untersagt und dadurch der Zwischenhandel mit
den ostindischen Waaren, worauf Hollands Macht und Wohlstand beruhte, ge-
stört wurde, so suchten sie selbst den Weg nach Indien und betrieben die directen
Handelsverbindungen mit solchem Erfolg, daß sie bald Niederlassungen anlegten
und viele Besitzungen der Portugiesen an sich brachten. Gegen eine jährliche Ab-
1602. gafre an die Stande erlangte die ostindische Compagnie den ausschließli-
chen Handel jenseits des Vorgebirges der guten Hoffnung. Holländische Fahr-
zeuge beherrschten jetzt die Meere und beeinträchtigten den spanischen und portu-
giesischen Handel in Ost- und Westindien, was dem morschen Staatsbau Phi-
lipps H. den letzten Stoß gab.
Darum war sowohl der König von Spanien als der Erzherzog Albrecht
erfreut, als es endlich der Vermittlung Heinrichs Iv. gelang, Moritz und
wog. dje niederländischen Stande zum Abschluß eines Waffenstillstands zu
bringen, der ihnen Unabhängigkeit, Religionsfreiheit und directen Handel
mit Ostindien zusicherte. Die spätern Kriege mit Spanien sielen zum Vor-
theil der Niederländer aus, so daß, als der Westfälische Friede die Un-
abhängigkeit der Vereinigten Staaten von Holland anerkannte,
sie nicht nur große Besitzungen in Indien, sondern auch beträchtliche Lände-
reien in Brabant und Flandern erworben hatten.
§. 530. Verfassung, Handel und Colonien. Während der Freiheitskriege
erhielt die Ve rfa s su n g der V e re in ig ten Staaten, hauptsächlich durch den großen
Staatsmann Oldenbarneveld, seit 1586 Groß-Pcnsionar (Land-Syndicus) von Hol-
land, ihre Ausbildung. Die gesetzgebende und souveräne Staatsgewalt mit
dem Steuer bewilligungsrcch t lag in den Händen der aus Abgeordneten der sieben
von einander unabhängigen Landschaften gebildeten G e n e r a l st a a t e n; die a u s ü b e n d e
Regierungsgewalt besaß der hohe Rath mit dem Statthalter an der Spitze;
die Verwaltung des Kriegswesens und die Leitung der Land- und Seemacht stand dem
Statthalter allein zu. Die innern Angelegenheiten der einzelnen Staaten wurden von
den aus Adel und Städteabgeordneten zusammengesetzten Provinzialständen besorgt;
in diesen aber hing Alles wieder von den einzelnen Städten ab, wo eine bürgerliche Aristo-
kratie die Leitung der Dinge in der Hand hatte. An Macht, Reichthum und Einfluß ragte
die P r o v i n z H o lla n d vor allen hervor. Bald nahm die Republik der Generalstaa-
ten nach allen Seiten hin einen mächtigen Aufschwung. Handel und Schifffahrt erlangten
eine seltene Höhe, die S chisssbaukunst und die städtischen Gewerbe kamen in Flor;
auf den Universitäten glänzten große Gelehrte; die holländischen Philologen Just.
Lipsius, Joseph Scaliger, Gerh. Vossius, Gronov, Dan. Heinsius (Aristote-
lische Poetik), Grävius (römische Altcrthümcr), etwas später Hemsterhuis (geb.
1685 zu Gröningen), der tiefste Kenner der griechischen Sprache, derer zuerst eine
feste wissenschaftliche Grundlage gab (seine Schüler Ruhnken und Valckenaer wirkten in
seinem Geiste fort); ferner Perizonius (1651—1715), Prof, in Leyden, der in seinen
„historischen Anmerkungen", einem Werke voll der feinsten und scharfsinnigsten Bemerkun-
gen, zuerst gelehrt hat, die Ueberlieserung vorurtheilslos, frei und kritisch anzuschen, und
die Unsicherheit der frühesten Geschichte Rom's nachzuwcisen. Die B u ch d r u ck er k u n st hob
sich (die Familie Elzevirii in Amsterdam und Leyden), die schönen Künste blühten
(§.411). Aber der Nerv der Nation blieb der Handel. Die o stin d isch c Co mpagn ie