1. Bd. 2
- S. 180
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Januar
1647.
180 Das siebenzehnte Jahrhundert.
Karls letzte Hoffnung vernichtet ward, bewies, welchen Umschwung die
Energie der Independenten bewirkt hatte.
tz. 598. Karl bei den Schotten. Von nun an nahm der Kampf
eine leidenschaftlichere Gestalt an. Die Independenten trugen ihre republika-
nischen Ansichten von der Kirche aus den Staat über und bekämpften das
Königthum mit derselben Entschiedenheit wie die hierarchische Hochkirche.
Karls Briefe, worin die Fürsten des Auslandes um Hülse angegangen wor-
den, waren in die Hände der Feinde gefallen; ihre Bekanntmachung brachte
den König um den letzten Nest von Ansehen. Es ging das Gerücht, er habe
die Irländer durch großezusagen zu einem neuen Aufstand aufzureizen gesucht
— daher gebot das Parlament, in Zukunft keinem gefangenen Irländer des
königlichen Heeres Pardon zu geben. Sie wurden zu Hunderten auf grauel-
hafte Weise erschossen und alle Royalisten an Hab und Gut gestraft. Von
der Spitze von Cornwallis bis zum schottischen Hochlande wüthete ein blutiger
Meinungskampf, aber die Energie der Fanatiker und Republikaner siegte.
Umsonst bot jetzt der gedemüthigte König die Hand zum Frieden — man
traute ihm nicht, und Cromwell und Fairsax schickten sich an, ihn in Oxford
zu belagern. Da faßte Karl einen verzweifelten Entschluß: — als Diener ver-
kleidet entfloh er mit zwei Begleitern aus Oxford in das Lager der Schotten,
in der Hoffnung, bei seinen Landsleuten das geschwachtegefühl der Anhäng-
lichkeit und Loyalität wieder zu erwecken. Allein in den durch harte Geistliche
geleiteten Schotten war alle Pietät für die gefallene Größe erloschen. Sie
hielten ihn in strenger Aufsicht, nöthigten ihn, den langen Predigten der Pres-
byterianer, deren gewöhnlicher Text seine und feiner Vorfahren Missethaten
waren, beizuwohnen und traten mit dem englischen Parlamente über sein
Schicksal in Unterhandlung. Als Karl nicht dahin gebracht werden konnte,
den Covenant zu unterzeichnen, den Episcopat abzuschaffen, die Land- und
Seemacht auf 20jahre dem Parlament zu überlassen und seine treuesten An-
hänger der Rache ihrer Gegner preis zu geben, opferten die Schotten ihren
König um schnöden Sold. Gegen Entrichtung einer hohen Geldsumme wurde
Karl den Commissarien des Parlaments ausgeliefert und in das feste Schloß
Holmby gebracht, worauf sich das schottische Heer auflöste.
§. 599. Zwiespalt zwischen Independenten und Presby-
terianern. Der Krieg schien beendigt und das größtentheils aus Presby-
terianern bestehende Parlament wollte nunmehr die Armee, in welcher die In-
dependenten die Oberhand hatten, vermindern oder sich ihrer durch Ver-
sendung nach Irland entledigen. Das Heer weigerte sich jedoch und verlangte
trotzig den rückständigen Sold; es bildeten sich Vereine von Offizieren und
Soldaten, die eine feindselige Haltung gegen die Presbyterianer annahmen.
Cromwell und seine Freunde waren die Seele dieser Bewegung; aber so schlau
wußte jener unter äußerer Scheinheiligkeit die innere Falschheit zu verbergen,
daß das Unterhaus ihm den Auftrag ertheilte, das meuterische Heer zur Ord-