1. Bd. 2
- S. 197
1854 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Das Zeitalter Ludwigs Xiv.
197
ss. Das Zeitalter Ludwigs Uv. und der
unumschränkten Fürstenmacht.
I. Ausgang des siebenzehnten Jahrhunderts.
a. Ludwig X-Iv. und seine Minister und Feldherren.
§. 611. In Ludwig Xiv. erreichte die königliche Allgewalt den höchsten
Gipfel. Das ganze öffentliche Leben drehte sich um den Hof und die Person des
Monarchen. Er ward als Halbgott verehrt und von seinen Unterthanen erhielt
nur der Bedeutung, auf dem die Gnade des Gebieters ruhte. Dies hatte für den
König die Folge, daß Befriedigung seiner Eigenliebe, seines Stol-
zes und seiner Despotenlaune das Hauptziel seines Strebens wurde, für
die Untergebenen, daß sie durch Schmeichelei, Servilismus und Kriecherei die
Hofgunst, die allein zu Glück und Ehre führte, zu erlangen suchten. Daher la-
gerten sich alle böse Geister eines entarteten Hofes, Charakterlosigkeit, Verleum-
dung, Ränkesucht und Neid um den König und verschloffen allmählich der Tu-
gend, Rechtschaffenheit und Tüchtigkeit den Weg. Um die verschiedenen Seiten
der langen glanzvollen Regierung Ludwigs Xiv. zu beurtheilen, muß man die
vier Haupteigenschaften seiner Natur, Herrschsucht, Stolz, Pracht-
liebe und religiöse Devotion ins Auge fasten. Die erste verleitete ihn,
durch vier blutige Kriege ganz Europa in Bewegung zu setzen, sein Stolz
sprach für den Hof von Versailles (wohin die königliche Residenz verlegt
wurde) den ersten Rang an; seine Prachtliebe machte Frankreich zum Muster des
Geschmacks in Kunst, Literatur, Moden und Lebenseinrichtungen, und seine reli-
giöse Devotion, die von Zeit zu Zeit sein sündhaftes Leben durchbrach, trieb ihn
zur Verfolgung der Huguenotten. Alle seine Handlungen hatten übrigens ihren
Grund in dem selbstherrischen (autokratischen) Geiste des Machthabers, der sich
auch darin beurkundete, daß er nach Mazarin's Tode keinen P rem ierm in i-
ster mehr duldete, sondern sich von den verschiedenen Ministern unmittelbar
referiren ließ. Der Oberintendant Fouquet, der unter Mazarin das ganze
Finanzwesen fast unumschränkt geleitet und sich dabei so bereichert hatte, daß er
einen größern Aufwand machen konnte, als der König selbst, wurde seiner Stelle
entsetzt und durch ein willkürliches Gerichtsverfahren zu ewiger Gefangenschaft
verurtheilt. Seitdem verwaltete Co lbert (ff 1683) unter einem bescheidenen
Titel (General-Controleur) die Finanzen des Reiches mit solcher Weisheit, daß
er nicht allein das Geld zu den kostspieligen Kriegen, zu den glänzenden Festen
und Einrichtungen und zu den Bestechungen auswärtiger Minister ohne drückende
Maßregeln herbeischaffte, sondern daß er auch der Betriebsamkeit Frankreichs
einen neuen Schwung gab, Fabriken und Manufakturen (Gobelins-Teppiche),
Handel und Seewesen hob und Künste und Wissenschaften unterstützte. Der
Kanzler Le Tellier besorgte mit Umsicht die inneren, und Lionne mit Klug-
heit und Würde die äußeren Angelegenheiten. Neben ihm machte sich einige
Jahre später Le Telliers ehrgeiziger Sohn, der Kriegsminister Louvois, be-
rühmt und berüchtigt, sowohl durch die neue und treffliche Organisation des
1661.
1666.